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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star
Autoren: Martin Cruz Smith
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eingesteckt, ehe ich das Spiel umgedreht habe«, sagte er.
    »Du Schwein!«
    »Sie hätten es sonst nie kapiert.«
    »Was sind Sie doch für ein durchtriebener Hund!« Karp blieb stehen und starrte ungläubig auf die Spielkarte in seiner Hand. »Und dabei sind Sie der einzige, den ich für ehrlich gehalten habe.«
    »Nein, das bin ich nicht«, sagte Arkadi. »Jedenfalls nicht, wenn mich einer mit ‘ner Axt in Schach hält. Immerhin, der Trick hat funktioniert. Wir haben Sinas Mörder überführt.«
    »Trotzdem haben Sie mich verdammt aufs Kreuz gelegt!«
    Sie gingen weiter. »Erinnern Sie sich noch an den Direktor aus dem Schlachthaus?« fragte Karp nach einer Weile. »Seine Töchter haben ein Rentierjunges aufgezogen wie ein Schoßtier. Aber eines Tages ist das dumme Vieh in den falschen Pferch gelaufen, und die Mädchen haben das ganze Schlachthaus nach ihm abgesucht. Komisch, nicht? Wer kann schon ein totes Rentier vom anderen unterscheiden? Nach dieser Geschichte ist eine von den beiden fortgegangen. Und gerade die hab ich ziemlich gemocht.«
    Vor ihnen, nur früher als Arkadi erwartet hatte, tauchte das Robbenloch auf. Mit jedem Schritt war es deutlicher zu erkennen. Auf der ansonsten völlig gleichförmigen Oberfläche bildete es eine schwarze Lache, eingefaßt von einem Ring verkrusteten Blutes, eine klaffende Wunde im Nebelmeer. Mechanisch verlangsamte Karp seine Schritte und blickte suchend um sich. »Wir hätten uns irgendwann mal zusammen betrinken sollen, nur wir beide.« Er schnippte seine Kippe ins Wasser.
    Arkadi warf die seine hinterher. Umweltverschmutzung im Beringmeer, ging es ihm durch den Kopf - noch ein Verbrechen.
    »Morgan hat der Polar Star durchgegeben, daß sie zwei Männer erwarten sollen«, rief er Karp in Erinnerung.
    »Falls er’s geschafft hat, seine Funkanlage wieder in Gang zu bringen. Und außerdem ist es hier draußen sehr gefährlich. Ein Funkspruch besagt da gar nichts.«
    Das Loch war kreisförmiger, als Arkadi es in Erinnerung hatte, maß höchstens zwei Meter im Durchmesser, und doch verlieh es dem Nebel so etwas wie Kontur oder Präzision. Ein unzugänglicher Pol, hier manifestierte er sich. Das Eis an den Rändern war teils tiefrot verschmiert, teils hellrot gesprenkelt. Schwarzes Wasser schwappte mit rhythmischem Plätschern dagegen. Irgendwo dort drinnen schlägt ein Puls, dachte Arkadi. Wenn man nur lange genug wartete, würde man ihn vielleicht entdecken.
    »Das Leben ist ein Scheißhaufen!« Mit einem seitwärts gezielten Tritt warf Karp ihn zu Boden, setzte sich rittlings auf seinen Rücken und verdrehte ihm den Kopf. Arkadi rollte sich herum und zielte mit dem Ellbogen auf Karps Kinn. Der Schlag saß, und der Trawlmaster fiel hintenüber.
    »Es kommt mir vor, als hätte ich mein Leben lang versucht, Sie umzubringen«, keuchte Karp.
    »Dann lassen Sie’s endlich.«
    »Das kann ich jetzt nicht mehr«, sagte Karp. »Im übrigen hab ich schon Kerle gesehen, denen man einen Pickel in den Leib gerammt hat, so wie Ihnen vorhin. Ich glaube, Sie sind schlimmer verletzt, als Sie denken.« Er rammte Arkadi die Faust in die Brust, genau auf die Wunde. Arkadi konnte sich nicht bewegen. Karp versetzte ihm noch einen Hieb, und alle Luft schien aus seinem Körper zu entweichen.
    Der Trawlmaster wälzte ihn auf den Rücken, setzte sich wieder auf ihn und preßte Arkadis Schulter über den Rand des Eislochs ins Wasser. »Tut mir leid«, grinste er und tauchte Arkadis Kopf unter. Luftblasen quollen aus seinem Mund. Er sah silbrige Luft, die sich in seinen Wimpern und seinem Haar festsetzte. Das Wasser war unglaublich kalt, wie flüssiges Eis, und beißend salzig, aber nicht mehr schwarz, sondern durchsichtig, wie ein Vergrößerungsglas, das Karp, als er sich jetzt vorbeugte, um ihn nach einer kurzen Pause erneut unterzutauchen, zum Riesen machte. Er sah tatsächlich traurig aus, wie ein Mann, der eine unangenehme, aber gleichwohl notwendige Taufe vornahm. Arkadi konnte seine Hand aus dem Wasser befreien, griff nach Karps Pullover und zerrte ihn zu sich hinab.
    Karp bäumte sich auf, wobei er Arkadi mit aus dem Wasser zog. Der hielt in der freien Hand den Eispickel, mit dem Ridley auf ihn losgegangen war, und preßte jetzt die blutverkrustete Spitze an Karps Hals, genau da, wo die wulstige Vene am Kinn in die Backe trat. Karp verdrehte die Augen, ängstlich bemüht, den Schaft der tödlichen Waffe im Blick zu behalten. Warum sollte ich ihn nicht erstechen? dachte Arkadi. Ich brauche
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