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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare
Autoren: David Safier
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ich schon ahnte und worauf ich mich freute: Ich würde endlich aus ganzem Herzen lieben können. Ohne Angst. Ohne Zweifel. Und ohne Minderwertigkeitsgefühle, wie ich sie bei Jan immer hatte.
    Womöglich würde ich, mit viel Glück, sogar die mir verwandte Seele finden. Irgendeinen Mann da draußen, der das gleiche bezaubernde Lächeln besaß wie Shakespeares Anne. So ein Wunder war möglich.
    Aber selbst, wenn ich diesen Mann nicht treffen würde, könnte ich ein besseres Leben führen als noch vor wenigen Tagen, denn mein Glück war nicht mehr abhängig von einem anderen Menschen.
     
    «Vielleicht sollte man allen Menschen so eine Rückführung spendieren», schlug ich Prospero vor. «Die Welt könnte ein wesentlich netterer Ort werden.»
    «Es gibt auch viele andere Wege, um zu sich selbst zu finden», antwortete der Hypnotiseur.
    «Stressfreiere», grinste ich.
    «Sehr viel stressfreiere», bestätigte Prospero.
    «Aber die machen nicht so viel Spaß», grinste ich noch breiter. Trotz all des Wahnsinns wollte ich meinen aufregenden Ausflug nicht missen. Es war die beste Zeit meines Lebens.
    Meines bisherigen Lebens, um genau zu sein. Denn jetzt würde ich ein neues, wunderbares beginnen.
     
    Durch das Fenster des Wagens sah ich, wie über dem Zirkuszelt die Sonne aufging. Ein neuer Tag begann, und ich wollte ihn genießen wie fortan jeden Tag. Ich bedankte mich bei Prospero, umarmte ihn zum Abschied innig und kündigte an, meinen guten Freund Holgi demnächst mal vorbeizuschicken. Dann ging ich zur Tür des Zirkuswagens und öffnete sie. Die ersten Strahlen der Sonne fielen auf mein Gesicht, und die kühle Morgenluft wehte um meine Nase. Ich atmete tief ein, die frische Luft füllte meine Lungen, und ich empfand eine Lebensfreude wie nie zuvor.
    Und so beseelt trat ich in mein neues Leben.
     

Epilog
    Fünf Jahre später
    (sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit)
     
     
    Auch Jahre später war ich noch erfüllt von Glück und Lebensfreude. Ich lebte von meiner Arbeit als Autorin, schrieb Musicals, Theaterstücke und Geschichten. Darunter auch einen Roman, der mit den Worten begann: «Au Mann, ich war ja so etwas von einem Frauenklischee ...» (Mein Verlag fand die Idee ganz lustig, dass ich mich bei der Herausgabe dieses Romans als Mann ausgebe.)
     
    Noch vom Krankenbett aus schrieb ich meine erste Komödie, die ein ganz und gar glückliches Ende besaß. In gab sich eine Frau als Mann aus (wie ich wohl auf diesen Einfall gekommen war?). Die Heldin war die wunderbarste Figur, die ich je erschaffen hatte. Eine temperamentvolle Frau voller echter Herzensliebe. Und ich gab ihr den Namen Rosalind.
     
    Tatsächlich begegnete ich wenige Monate nach meiner Rückkehr einem Mann, der genauso lächelte wie einst Anne. Mit ihm erlebte ich eine Liebe, die in ihrer Intensität nie möglich gewesen wäre, wenn ich mich weiterhin selbst verachtet hätte. Ja, für die verwandte Seele musste man anscheinend auch empfangsbereit sein.
     
    Ich fand keine Frau fürs Leben mehr. Doch dies bereitete mir kein Ungemach, war ich doch mit meiner Seele im Reinen. Der Gott der Defloration hatte sich aus dieser Welt verabschiedet. Ich kümmerte mich viel mehr um meine Kinder, besuchte sogar regelmäßig mit ihnen das Grab von Anne.
     
    Ich zog von Düsseldorf wieder in meine Geburtsstadt, gemeinsam mit meinem neuen Mann. Wir bekamen ein Kind, und ich stellte fest: Wow, man kann überall selig sein, sogar in Wuppertal.
     
    Ich errichtete das < Globe Theatre>.«Wie es euch gefällt» wurde als erstes Stück dort aufgeführt und Rosalind vom ersten Augenblick an in ganz London geliebt.
     
    Ich schickte Holgi tatsächlich zu Prospero, und er hatte eine ganz wunderbare Zeit im Körper von Madame Pompadour.
     
    Mein bester Freund Kempe hatte eine wahrlich wunderbare Zeit in seinem eigenen Körper.
     
    Doch wenn mein Mann und mein Baby schliefen, las ich in den Werken Shakespeares ...
    Wenn die Vorstellung vorüber war und die Kinder im Bett lagen, schrieb ich Sonette...
    Ich fand ein besonderes in einer wenig bekannten Gedichtsammlung von 1599 ...
    Gewidmet Rosa, in der Hoffnung, sie würde es in ferner Zukunft lesen...
    Es war ebenjenes Sonett, das wir einst gemeinsam verfasst hatten...
     
    Lediglich die letzten Verse hatte ich neu hinzugefügt.
    Beim Lesen hörte ich in Gedanken Williams Stimme .
    U
nd ich malte mir aus, wie Rosa die Worte liest...
    Durch diese Verse waren wir über die Zeiten
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