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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare
Autoren: David Safier
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ich etwas verständlicher, mein Adamsapfel schien sich zu erholen.
    «Du musst es tun», drängte ich.
    «Willst du ein Mörder sein?», fragte ich Shakespeare leise.
    «Du hast recht...», lenkte ich indessen ein. Ich wollte nicht sterben. Aber ich wollte auch nicht als Mörder leben, als ein Mensch, der sich auf eine moralische Stufe begab mit Königen, Tyrannen oder Päpsten.
     
    Drake richtete seine Muskete erneut auf mich, aber dies hieß noch lange nicht, dass ich wehrlos war. Zwar wollte ich ihn nicht töten, aber ich hatte keinerlei Probleme damit, ihm mit dem Schwert auch noch die andere Wade aufzuschlitzen. Der Admiral jaulte noch lauter auf und klang dabei in etwa so wie ein Hund, dem man auf den Schwanz gesprungen ist, mit Schlittschuhen.
    Von dem Geschrei und dem Schuss aufgeschreckt, kam Walsingham mit seinen Soldaten in Richtung Heck gestürmt. Noch bevor er «Was zum Henker geschieht hier, schäbiger Barde?» ausrufen konnte, machte ich ihn auf die spanischen Spione in dem Boot aufmerksam. Die Soldaten rannten auf Geheiß Walsinghams zu der Reling, ich folgte ihnen, und gemeinsam sahen wir, wie die Attentäter mit dem Boot direkt am Schiff lagen. Sie waren gerade im Begriff, die Lunten mit den flammenden Keulen anzustecken. Anscheinend handelte es sich bei ihnen tatsächlich um Selbstmordattentäter (was, wenn man es sich recht überlegte, doch ein recht merkwürdiger Beruf war, aber immerhin musste man sich keine Sorgen um die Altersvorsorge machen).
    Walsingham gab sofort den Befehl zur Exekution, die Soldaten feuerten mit ihren Musketen, und die Spione starben in Sekundenschnelle, noch bevor sie die Fässer mit Schwarzpulver anstecken konnten. In Actionfilmen wirkte so eine Schießerei ja immer spielerisch, aber wenn man in natura sieht, wie Kugeln Menschen niederstreckten, sollte man vorher tunlichst keine Aalsuppe essen. Shakespeare spürte, dass ich Mitleid mit den Attentätern hatte, und beruhigte mich erneut:
    «Sie wären in wenigen Minuten eh gestorben. So viel Zeit hast du ihnen also nicht genommen.»
    Drake trat indessen zu Walsingham und erklärte: «fetzt müssen Sie nur noch den Anführer der Attentäter hinrichten lassen.» Impulsiv wollte ich zustimmen, aber Shakespeare wies völlig zu Recht daraufhin:
    «Ich befürchte, Drake redet nicht von sich selber.»
    Panisch deutete ich auf Drake und rief: «Er ist es!» Walsingham sah mich nur leer an, während Drake grinste:«Wem von uns, mein lieber Freund, wird man wohl mehr glauben: dem Helden Englands oder einem unmoralischen, kleinen Stückeschreiber?»
    «Oh, wie sehr mich rhetorische Fragen anwidern.»
    «Drake will Potektor werden!», erklärte ich Walsingham, ohne eine genaue Ahnung zu haben, was das genau sein sollte. Es klang ein bisschen wie ein Gegenstand, mit dem ein Arzt nach Hämorrhoiden sucht (und wenn man es genau bedachte, war Hämorrhoidenarzt ein fast so merkwürdiger Beruf wie Selbstmordattentäter).
    Drake wurde ein kleines bisschen nervös, da ich sein Motiv ausbreitete, und lachte gekünstelt: «Zum einen heißt es , und zum anderen würde ich doch kein Schiff in die Luft jagen, auf dem sich mein holdes Eheweib befindet.»
    «Du würdest gerade so ein Schiff in die Luft jagen!», protestierte ich.
    Walsingham wandte sich nun an mich: «Barde, Sie haben mir gute Dienste mit Ihrem Sonett erwiesen ...» Er lächelte für einen kurzen Erinnerungsmoment selig und befriedigt.
    «Was habe ich gesagt», deutete ich seinen Blick, «das Kleid hatte einen Hintereingang.»
    Ich verdrehte die Augen. Walsingham aber riss sich wieder zusammen und redete geschäftsmäßig weiter: «Dennoch muss ich Sie als Hochverräter jetzt hinrichten lassen.»
    «Überlassen Sie mir die Freude, Walsingham», grinste Drake breit. Walsingham zögerte etwas, dann nickte er dem Admiral zu: «Wie Sie wollen, Sir Francis.»
    Mir war es egal, wer genau mich jetzt töten wollte. Ich hatte mich sogar schon ein bisschen daran gewöhnt, dass man mir an den Kragen ging. Und genauso daran, dass ich dem Tod immer wieder von der Schippe sprang. So etwas wie Optimismus flammte in mir auf: Sicher würde ich es auch diesmal schaffen! Irgendwie! Ich würde auch das hier überleben und Shakespeare meine Liebe gestehen!
    Dieser Gedanke ließ mich lächeln.
    Da wusste ich ja auch nicht, dass ich wenige Minuten später in den Tod stürzen würde.
     

60
    Drake, der Meister der sadistischen kleinen Spielchen, wollte sich erneut duellieren und damit meinen
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