Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)
Autoren: Etgar Keret
Vom Netzwerk:
Davon hatte er in den letzten Jahren nicht allzu viel. Da war diese Rakete gewesen im zweiten Libanonkrieg, deren Aufprallerschütterung das Fenster in ihrem Pensionszimmer im Norden oben zerspringen ließ, und es gab irgendein Spiel in Jad Elijahu, zu dem er mit einem Freund ging, wo sie ihn fürs Fernsehen filmten, genau wie er im Publikum gähnte. Vielleicht noch die Geburt seines Sohnes. Obwohl er nicht wirklich dabei war. Seine Frau vertrieb ihn ein paar Minuten vorher aus dem Geburtsraum, da es sie aufbrachte, dass er den Anruf von jemandem aus der Arbeit annahm. Kurz gesagt, der mit dem Pflaster reißt sich nicht darum zu gehen, aber er weiß auch, wenn der Schnurrbärtige und der mit den Brauen gegen ihn sind, kann er sich nicht stur stellen und bleiben, ohne als komplette Landplage dazustehen. Das Einzige, was die Lage jetzt retten kann, wäre, wenn er einen Einfall hätte. So eine Bombenidee, die einen Plan oder ein Ziel produziert, ihn aber auch innerhalb der ganzen Affäre als einen positioniert, der initiativ ist, nützlich, so einer, bei dem es gut ist, wenn er in der Gegend bleibt.
    »Man muss mit Jigal Kochavi reden«, sagt er halb zu dem Schnurrbärtigen, halb zu Pnina, die jetzt zu Ende geweint hat und bloß noch schnieft: »Pnina hat gesagt, dass sie seine Telefonnummer aus Avners Palm hat. Und wenn Avner einen Traum von ihm hatte, der ihn zum Schreien gebracht hat, besagt das sicher, dass er stark bei ihm im Kopf steckt. Wer weiß, vordergründig erscheint diese ganze Sache mit der Pistole, als wolle er Selbstmord begehen, aber was ist, wenn er eigentlich plant, diesen Kochavi zu ermorden? Man muss ihn anrufen, um ihn zu warnen, um nachzuforschen.« In dem Moment, in dem der mit dem Pflaster das Wort »Selbstmord« ausspricht, fängt Pnina wieder zu weinen an, und als er »ermorden« sagt, fällt sie prompt in Ohnmacht. Ein Glück, dass es dem Schnurrbärtigen gelingt, sie im letzten Augenblick, bevor sie mit dem Gesicht auf dem Bürgersteig auftrifft, zu erwischen. Der mit dem Pflaster rennt auf den Schnurrbärtigen zu, um zu helfen, doch der Blick des Schnurrbärtigen macht ihm deutlich, dass das keine gute Idee ist. Der mit den Brauen lässt von der Seite her fallen, das sei gar nichts, bloß der Stress. Man müsse ihr ein Glas Wasser geben, sie auf irgendeine Bank setzen, und innerhalb einer Minute wäre sie wieder auf den Beinen.
    »Macht, dass ihr hier wegkommt, alle beide«, schreit der Schnurrbärtige, »Abflug, jetzt sofort!«
    Nachher, im Taxi, wird der mit dem Pflaster zu dem mit den Brauen sagen, dass der Schnurrbärtige echt übertrieben hat, wer ist er denn, dass er sie anscheißt? Wenn ein Offizier heute so mit einem Soldaten redet, handelt er sich dafür eine Klage ein, und da soll der Schnurrbärtige zwei Menschen, die er kaum kennt und die alles in allem nur helfen wollen, anschreien dürfen? Das wird er nachher, im Taxi, sagen. Jetzt aber, draußen vor dem Bürogebäude im Gewerbegebiet von Herzelia, sagt der mit dem Pflaster gar nichts, sondern er geht mit dem mit den Brauen weg, und sie lassen den Schnurrbärtigen mit Pnina allein.
    Der Schnurrbärtige trägt sie auf den Armen zum Wagen und setzt sie behutsam auf dem Beifahrersitz ab, wie man einen zerbrechlichen Gegenstand platziert. Pnina wacht auf, noch bevor sie das Auto erreicht haben, und murmelt mit halb geschlossenen Augen, doch erst jetzt, nachdem er sie abgesetzt hat, fängt er an hinzuhören. »Ich hab Durst«, sagt sie.
    »Ich weiß«, sagt der Schnurrbärtige, »ich habe kein Wasser im Auto, tut mir leid. Wir können eins kaufen fahren. Ich habe auf dem Weg hierher, wirklich ganz nah, so einen Aroma-Shop gesehen.«
    »Glauben Sie, er ist schon tot?«, fragt sie.
    »Wer?«, fragt der Schnurrbärtige. Er weiß, wen sie meint, doch er tut so, als ob – eine Art Manipulation, die ihre Furcht als überzogen erscheinen lassen soll. Sie schaut ihn an, sagt aber nicht »Avner«, wie er erwartet hat. Schaut bloß. »Ich bin sicher, dass er wohlauf ist«, sagt der Schnurrbärtige. Seine Stimme klingt überzeugend. Dank dieser Stimme hat er seinerzeit die Filiale in Ra’anana erhalten und jetzt die in Ramat Aviv.
    »Ich habe Angst«, sagt Pnina haargenau so, wie er sich, als er sie heute Abend zum ersten Mal gesehen hat, vorgestellt hat, dass sie das sagen würde. Sie ist so hübsch, wie sie das sagt. Der Schnurrbärtige beugt sich vor und küsst ihre trockenen Lippen. Ihre Lippen entfernen sich von seinen. Er sieht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher