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Plasma

Plasma

Titel: Plasma
Autoren: Jeff Carlson
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feindselig, aber sie durfte sich nicht davon beeinflussen lassen. Sie blieb neben dem Nachrichtentechniker stehen, der ihre Nummern erhalten hatte. Caruso und Shaug waren ihr dicht auf den Fersen geblieben, zusammen mit Estey und einem Großteil der Luftwaffen-Soldaten.
    »Goldman!«, rief Shaug.
    Sie erhob ihre Stimme ebenfalls. »Wenn ich dieses Glas zerbreche, atmet binnen Sekunden jeder hier im Raum die neuen Nanobots ein. Stellen Sie die Verbindung her! Jetzt!«
    »Sie wird das Zeug aber ebenfalls erwischen«, gab Shaug zu bedenken.
    »Das wusste ich bereits, als ich den Bunker betrat.« Ruth blinzelte, weil sie nicht wollte, dass er ihre Tränen sah – aber ihre Ehrlichkeit erschütterte die Leute mehr als jede Drohung.
    »Okay«, sagte Caruso. »Okay. Einen Augenblick noch.«
    Ruth hielt zwei Schwerter an ihre Kehlen. Die winzigen Glasbehälter, die sie in den Bunker geschmuggelt hatte, waren nur eine ihrer Waffen, denn sie wusste, dass sie keine richtige Wahl hatte. Es galt, die Anstrengungen und Opfer der anderen zu honorieren, angefangen bei den Pfadfindern und Hernandez bis hin zu jedem namenlosen Soldaten, der bei dem Versuch umgekommen war, sie zu retten. Selbst für Nikola Ulinow und die Invasoren musste sie kämpfen. Ihr ging es darum, alle Überlebenden der Nanopest und des Nanokriegs zu retten.
    Sie hatte die gewaltigen Fortschritte genutzt, die sie in dem neuen Impf- und Geister-Nano entdeckt hatte, aber anstatt den Booster zu verbessern, hatte sie einen ungemein gefährlichen ANN entwickelt, einen Parasiten, der in der Lage war, beide Versionen des Impfstoffs unbrauchbar zu machen: sie dauerhaft auszuschalten. Der Parasit hatte keine andere Funktion, als jedem warmblütigen Lebewesen, das mit ihm in Berührung kam, die Welt unterhalb von 10000 Fuß für immer zu verwehren. Wer von diesem Parasiten befallen wurde, reagierte nie mehr auf den Impf-Nano. Die über die westlichen USA verteilten Heere würden es nicht rechtzeitig schaffen, sich aus der Todeszone zurückzuziehen und neben Artillerie und Panzern Unmengen von Toten zurücklassen müssen.
    Für kurze Zeit würden die Kämpfe heftiger aufflammen denn je. In Utah hatten die Russen nur die Möglichkeit, die Gefechtsstellungen der Amerikaner östlich von Salt Lake City anzugreifen. Die Chinesen in Colorado standen vor dem gleichen Problem. Also würden sie ihre Reserven und die Nachschubketten im gesamten Südwesten verlieren. Das Kriegsglück würde sich zugunsten der USA verschieben, aber mit verheerenden Verlusten auf beiden Seiten.
    Ruth hatte geschworen, diesen Weg einzuschlagen, falls sich die Machthaber weigerten, einem Waffenstillstand und bedingungslosen Rückzug zuzustimmen. Zu ihrem Bedauern konnte sie ihr Vorhaben aber nicht allein durchführen. Die Feinde würden jede Nanotech-Drohung ernst nehmen, aber Worte allein reichten gewiss nicht, um ihnen Einhalt zu gebieten. Deshalb hatte sie ein zweites Modell des Parasiten entworfen, diesmal mit einem Regler. So begrenzte es seine Ausbreitung auf ein Gebiet von mehreren Häuserblocks.
    Und eben diesen ANN hatte sie in den Bunker geschmuggelt. Vier weitere Kapseln davon waren in ihrem Labor deponiert. Während die Amerikaner ihr Ultimatum verkündeten, konnten Kampfflugzeuge tief in das Feindesgebiet vordringen, an vier Stellen Lenkwaffen abfeuern, deren Geschosse durch Parasiten-Behälter ersetzt waren, und so den unwiderlegbaren Beweis für die Gefährlichkeit des Parasiten liefern.
    Es gab zu viele Einzelheiten zu beachten, als dass man sofort an die Ausführung dieses Plans hätte gehen können. Ruth rechnete damit, dass sie Grand Lake stunden- oder tagelang in Schach halten und jeden einzelnen Schritt erzwingen musste. An diesem Morgen hatten Cam und Deborah den Berg in entgegengesetzten Richtungen verlassen, ausgerüstet mit Glaskapseln, in denen sich Milliarden des neuen Parasiten befanden. Die sollten sie freisetzen, sobald Ruth es befahl: wenn jemand sie aufspürte und in die Enge trieb – oder wenn es ihr nicht rechtzeitig gelang, Verbindung zu ihnen aufzunehmen.
    »Rufen Sie zuerst die Vier-Sechs-Nummer an«, sagte sie, während sie die verwirrende Funkkonsole studierte. »Geben Sie mir Ihr Headset!« Wenn sie die Leitung anzapfen ließen, würde sie es nicht merken, aber sie wollte nicht über ein offenes Mikro sprechen.
    Der Nachrichtentechniker gehorchte. Er gab die Nummer ein, und Ruth hörte ein normales Telefonklingeln, einmal, zweimal. Ein Fremder meldete sich.
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