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Plasma

Plasma

Titel: Plasma
Autoren: Jeff Carlson
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Wegtreten! Wenn Sie zulassen, dass Dr. Goldman diesen Nano einsetzt, werden Tausende sterben. Tausende unseres eigenen Volkes!«
    Cam machte sich nicht die Mühe, dem Mann zu antworten, sondern nahm seinen Satz wieder auf. »Wenn du es für das Beste hältst«, sagte er.
    »Allerdings«, entgegnete Ruth, und es klang fast wie ein Schwur.
    Er eignete sich besser als jeder andere dafür, die Verantwortung zu übernehmen. Er war ein Einzelgänger, der sich nur auf sich selbst verließ. Vielleicht rührte seine Abneigung gegenüber den Militärs sogar daher, dass er gern zu ihnen gehört hätte und sich wieder einmal ausgestoßen fühlte.
    »Cam«, sagte sie auf einmal. »Cam, ich … danke dir.« Sie wusste, dass sie ihr Gespräch kurz halten mussten, damit Grand Lake ihn nicht orten konnte, und sie wollte unbedingt, dass alles so echt wie möglich wirkte. »Mach dir keine Sorgen um mich«, fügte sie hinzu.
    »Dir wird nichts geschehen.« Dann änderte sich sein Tonfall. »Lasst sie gehen, sonst setze ich die Nanos frei – egal, was ihr entscheidet.« Er unterbrach die Verbindung. So vieles blieb ungesagt, vielleicht für immer.
    Ruth zitterte. Fast wäre ihr der Knopf entglitten. Aber sie hatte gelernt, die Macht ihrer Gefühle zu kanalisieren. Das bekamen nun auch Shaug und Caruso zu spüren. Sie bemühte sich gar nicht erst, das Beben in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Ich gebe euch eine Stunde Zeit«, erklärte sie. »Macht eure Flugzeuge startklar. Sie sollten sich in der Luft befinden, bevor wir die Chinesen warnen, damit sie nicht versuchen, Grand Lake mit einer zweiten Atombombe zu sterilisieren.«
    »Wir brauchen aber länger«, widersprach Caruso.
    »Ich diskutiere nicht mehr. Eine Stunde.«
    »Verdammt, das ist doch Wahnsinn!«
    »Wir werden siegen«, entgegnete Ruth. »Tun Sie, was ich sage, und wir werden siegen.«
    Der Parasit besaß nicht nur das überlegene Targeting des neuen Impf-Nanos, sondern auch die beispiellose Replikationsgeschwindigkeit der Maschinenseuche. Da keine Unterdrucksicherung eingebaut war, würde er sich noch wesentlich schneller auf dem gesamten Planeten ausbreiten als der Pest-Nano. Demnach würde er mit dem Jetstream um die Erde ziehen und die Atmosphäre erfüllen. Der Nano würde Europa und Asien nicht erst in Wochen, sondern bereits in Tagen erreichen und sämtliche Bewohner dazu verdammen, sich auf den winzigen Landflecken oberhalb von 10 000 Fuß zusammenzupferchen. Dieses Risiko konnten die Chinesen nicht eingehen, nicht mit ihrem zweiten Krieg im Himalaya. Und ohne ihre Verbündeten würden die Russen ebenfalls klein beigeben.
    »Überlegen Sie doch, was uns diese Typen angetan haben!«, sagte Shaug. »Und denen wollen Sie Kalifornien überlassen?«
    »Ein Stück davon. Für kurze Zeit. Was spielt das für eine Rolle?«
    »Es ist unser Land! Unser Besitz!«
    »Sie werden in ihre Heimat zurückkehren, wenn wir sie nicht daran hindern. Wenn wir ihnen ein wenig Zeit lassen. Sie werden zurückkehren, oder ich lösche sie aus. Nur sie. Begreifen Sie das nicht?« Ruth wusste, dass sie eine neue Pest konzipieren konnte, um den Feind zu vernichten – den Feind und sonst niemanden –, einen intelligenten Parasiten, der geografische Grenzen erkannte. Er stellte lediglich die erste Stufe auf dem Weg zu einer überwältigend hohen Ebene der Nanotechnologie dar.
    »Dann tun Sie es jetzt!«, forderte Caruso. »Löschen Sie die Feinde jetzt aus!«
    »Nein.«
    Allmählich dämmerte ihr, dass er ebenso erschöpft war wie sie alle. Seit der Invasion hatte er fast nur noch Niederlagen erlebt. Er würde nach jedem Strohhalm greifen, aber sie dachte nicht daran, einen Völkermord anzuzetteln, solange es noch eine Alternative gab. Selbst eine neue Pest bräuchte eine gewisse Anlaufzeit. Die Chinesen hätten Zeit, ihre Raketen abzufeuern. Der Verzweiflungskampf rund um die Welt musste ein Ende nehmen, wenn er nicht zum totalen Kollaps führen sollte.
    »Irgendwann muss Schluss sein«, sagte Ruth. In ihrem Innern brannten Verzweiflung und der Glaube an die Zukunft. »Der Krieg ist vorbei.«

25
    Auf der Bergflanke wimmelte es von Menschen, ein Gewirr dunkler Umrisse vor dem helleren Hintergrund. Hunderte von ihnen bildeten zwei langsam vorrückende Schlangen, die dem langen V der beiden in den Fels geschnittenen Schluchten folgten. Dazu kamen Dutzende, die sich einen Weg durch die Hügel bahnten. Tageslicht blitzte auf Waffen und Gerätschaften. Die Spätnachmittagssonne war fast hinter den
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