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Plasma

Plasma

Titel: Plasma
Autoren: Jeff Carlson
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isolierten Hochflächen – und die Berichte von ihrem Überleben machten die Runde.
    Nur wenige Stunden später war der Waffenstillstand ausgehandelt. Am Tag darauf begann der Rückzug. Ruth blieb während der Verhandlungen im Kommandobunker und bremste die amerikanischen Militärs, die den Feind in die Wüste zurückdrängen wollten. Cam hatte noch zweimal Kontakt mit ihr aufgenommen, gegen Mitternacht des zweiten und am Mittag des dritten Tages. Sie war unversehrt. Und dann befand sie sich in Freiheit.
    »Komm mit mir«, sagte Allison und legte ihm einen Arm um die Taille. Es war eine vertrauliche Geste. Er sah die Bitte in ihren blauen Augen, hob aber erneut den Feldstecher und suchte den Hang ab.
    »Eine Stunde noch, ja?«
    »Bis dahin ist es dunkel.«
    »Du kannst mit diesen Männern reden, wenn sie ihr Nachtquartier aufgeschlagen haben. Jetzt würden sie dir ohnehin nicht zuhören.«
    »Komm mit mir«, wiederholte Allison. Sie zog Cam so nahe zu sich heran, dass er trotz des starken Windes ihren guten weiblichen Geruch wahrnahm. »Es ist nicht sicher, wenn wir nachts allein hier draußen bleiben.«
    Die Menge wurde zunehmend unruhig. Einige Gruppen steckten im flacheren Gelände der Schluchten Plätze ab und begannen Unterstände und Zelte zu errichten, die den Durchgang für die restlichen Flüchtlinge versperrten. Es gab kein Feuerholz, nur Moos, Unkraut und den spärlichen Proviant, den sie mitgebracht hatten. Ein paar dünne, schlammige Rinnsale sickerten hier und da aus der Erde. An einer größeren Quelle hatte sich eine Schar von Männern und Frauen in Army-Uniformen ausgebreitet, die das Wasser für sich allein beanspruchten.
    Als die Sonne am Tag zuvor die Schläfer geweckt hatte, waren unter den vielen Tausend einige gewesen, die sich nicht mehr erhoben. Der Krieg war aus, aber das Sterben ging weiter. Nicht alle der Kranken oder Verwundeten würden den beschwerlichen Treck von den Bergen herunter überleben. Allisons Leute hatten sich an einem flachen Hügel abseits der Schluchten eine Kuhle gegraben, aus Felsbrocken eine Mauer als Windschutz errichtet und sämtliche Feldflaschen, Töpfe und Plastiktüten mit Wasser aus einer eigenen Quelle gefüllt. Und sie hatten sich das Wohlwollen ihrer unmittelbaren Nachbarn mit Wasserzuteilungen und guten Ratschlägen erkauft.
    Allison hielt den Arm immer noch um seine Taille geschlungen. »Ich weiß, was du denkst«, sagte sie. »Wir tun, was wir können. Wenn sie es bis hierher geschafft hat, werden wir sie finden.«
    »Yeah.«
    Es konnte so viel schiefgegangen sein. Grand Lake konnte darauf spekuliert haben, dass Cam den Parasiten niemals freisetzen würde. Man konnte Ruth trotz seiner Warnungen per Flugzeug oder Satellit aufgespürt und kurz nach ihrer Meldung, dass sie frei war, gefangen genommen haben. Zwar erschwerten die Flüchtlinge die Suche nach ihr, aber zugleich stellten die Menschenmassen eine Gefahr dar. Eine Frau, die allein unterwegs war, bot ein gutes Ziel für Übergriffe.
    Wir hätten uns auf die Suche nach ihr begeben sollen, dachte Cam besorgt, aber Allison hatte alle Hände voll zu tun gehabt, ihr Lager und ihre Wachen zu organisieren. Cam hätte nicht allein nach Grand Lake zurückkehren können. Er trug immer noch den Nano-Parasiten bei sich, und er dachte nicht daran, ihn aus den Händen zu geben. Allisons Leute waren zwar bereit, Ruth mit offenen Armen als Friedensbringerin aufzunehmen, aber sie wussten nichts über seinen Beitrag, sondern glaubten, sie habe allein gehandelt.
    »Wir versuchen es morgen noch einmal.« Endlich ließ Allison ihn los. Sie hob beide Arme über den Kopf, ein Zeichen für die Beobachter, dass sie ihre Wachtposten aufgeben konnten. Der Mann, der ihr am nächsten stand und seinen Feldstecher auf die Bergflanke gerichtet hatte, bemerkte ihre Geste nicht, aber eine Frau auf dem Granitbuckel dahinter sah und wiederholte das Signal. Die beiden hatten es noch weiter zum Lager als Cam und Allison, darum war er froh, dass sie so lange mit ihnen ausgeharrt hatten.
    »Ich danke euch«, sagte er und reichte Allison die Hand. Er würde die Worte im Camp wiederholen, wenn er die Leute um einen weiteren Tag Aufschub bat. Sie waren alle entmutigt – doch in diesem Augenblick konterte der erste Posten in der Kette Allisons Signal.
    Er hob die linke Faust, drehte sich dann um und deutete zum Berghang. Cam wirbelte herum, aber nicht so schnell, dass ihm Allisons gekränkter Gesichtsausdruck entgangen wäre. Sie überspielte
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