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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City
Autoren: Walter Jon Williams
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Haggul-Gefängnis
    Der Gerechtigkeit ihren Lauf!
     
    Ihr Vetter Landro arbeitet in Old Shorings in einem Eisenwarenladen. In dieser Gegend hat Aiah ihre Kindheit verbracht. Von Rocketman aus sind es anderthalb Stunden zu fahren, von ihrer Wohnung in den Loeno Towers aus gesehen außerdem noch in die falsche Richtung. Aiah fährt mit der Trackline hin und schleppt die schwere Mappe mit den Karten durch die Gegend. Sie trägt immer noch den Overall und den Schutzhelm und fühlt sich hässlich und wenig liebenswert, als sie sich die kaputte Rolltreppe hinaufschleppt. Aber als sie den Eingangstunnel hinter sich hat und auf dem Gehweg steht, wird ihr leichter ums Herz.
    Irgendwo singt eine Vokalgruppe, die Musik dringt von oben aus einem Fenster. Aiah muss lächeln. Ein kalter Wind fegt durch die schmale Gasse zwischen zwei schmutzigen roten Ziegelbauten. Die Gebäude sind so alt, dass sie sich über die Straße zu lehnen scheinen wie eine alte Frau am Stock.
    Die Straße ist schmal und für Fahrzeuge gesperrt. Unten in den Häusern sind Geschäfte, in den oberen Stockwerken Wohnungen. Die meisten haben Gerüste, die sich über den Gehweg bis zur Straße erstrecken. Genau genommen sollen die Gerüste nur dazu dienen, die alten Ziegelmauern zu stützen, aber sie sind bewohnt und belebt und in Verschlage unterteilt, wo die Leute Kleider, Krimskrams oder Spielzeug verkaufen, manchmal auch Glückszauber oder Segenssprüche oder in Dachgärten gezogenes Gemüse. Hier und dort leben auch arme Leute, die mit Plastikplanen für Wände und Dächer vorlieb nehmen müssen. Das alles ist illegal und die Gerüste samt Bewohnern werden beim nächsten Erdbeben kreuz und quer durch die Gegend fliegen, aber in diesem Teil der Domäne von Jaspeer kümmert sich schon lange niemand mehr um die Bauordnung.
    Hier in dieser Gegend, in einer Sozialwohnung, die nur ein paar Blocks entfernt ist, hat Aiah den größten Teil ihrer Jugend verbracht. Kochgeruch hängt schwer in der Luft, vertraute Barkazil-Gewürze. Straßenhändler bieten lächelnd selbst gemachte Musikinstrumente feil, verkaufen Taubenauflauf, Weihrauch, Halstücher, Glücksfetische, Handtaschen und Armbanduhren mit gefälschten Firmenzeichen. Überall dröhnt Musik aus Lautsprechern, die in Fenster gestellt wurden. Fließende Barkazil-Rhythmen kämpfen gegen das Knattern der Plastikplanen im Wind an. Auf der Straße spielen Kinder Fußball. Alte Männer sitzen auf den Vordertreppen und trinken Bier. Junge Männer stehen an der Straßenecke und beschützen ihr Viertel vor allen Gefahren, die da drohen mögen. Vor allem wohl vor anderen jungen Männern aus anderen Vierteln.
    An einer Garküche auf den Gerüsten kauft sie sich eine warme Mahlzeit: Nudeln mit Chili, Zwiebeln und etwas Fleisch, um den Geschmack zu verbessern. Für die billige Keramikschale mit dem angeschlagenen Rand muss Aiah fünf Clinks Pfand hinterlegen. Es ist die Sorte Essen, vor der ihre Großmutter sie immer gewarnt hat – das Fleisch ist angeblich im Reagenzglas gezüchtetes oder auf irgendeinem Dach gezogenes Hühnchen, aber es könnte genauso gut Kanalratte sein.
    Aiah ist es egal, es schmeckt wundervoll.
    Eine fliegende Reklametafel lässt die Sirene aufheulen und preist Zigaretten an. Plasmawerbung darf eigentlich keinen solchen Lärm machen, aber in manchen Vierteln wird die Einhaltung der Lärmschutzbestimmungen kaum überwacht.
    Er bemerkt zuerst ihren gelben Overall. Bis er sie erkennt, beäugt Landro Aiah ein wenig besorgt. Aber dann umarmt er sie begeistert und beantwortet ihre Fragen nach seiner Freundin und den verschiedenen Kindern – seine, ihre, alle zusammen.
    »Ich dachte, du arbeitest jetzt im Büro«, sagt er.
    »Ich muss im Augenblick unter Tage arbeiten.«
    »Hast du deine Mama schon gesehen?«
    Auf Insektenbeinchen kommt ein kribbeliges Unbehagen angerannt. »Nein«, antwortet sie. »Ich bin gerade erst angekommen und …« Ein schweres Seufzen. »Ich habe hier zu arbeiten.«
    Wieder sieht er sie besorgt an. »Was meinst du damit?«
    »Ich hatte gehofft, dass du mir ein paar Fragen beantworten könntest. Über das Tauchen.«
    Landro sieht sich über die Schulter zu seinem Boss um, der hinten im Geschäft an einem Bildschirm sitzt und die Stirn runzelt. »Ich kann dir ja mal ein paar Proben zeigen«, sagt er laut und führt sie zur Abteilung mit den Farben.
    Überall die gleichen Probleme mit den leitenden Angestellten, denkt Aiah.
    »Ich will niemanden in Schwierigkeiten bringen«,
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