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Palzki 09 - Ahnenfluch

Palzki 09 - Ahnenfluch

Titel: Palzki 09 - Ahnenfluch
Autoren: Harald Schneider
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Kapitel 1: Die Bildungsoffensive
    Es hätte so ein schöner Tag werden können.
    »Meine Untergebenen! So geht es nicht weiter! Die Beschwerden aus der Bevölkerung nehmen überhand! In meiner Dienststelle darf so etwas nicht passieren. Im nächsten Jahr möchte ich die Kriminalinspektion Schifferstadt bei der UNESCO als Weltkulturerbe anmelden. Ich lasse mir diese Pläne durch Sie nicht zunichtemachen. Selbst die Volkshochschule des Rhein-Pfalz-Kreises hat im letzten Jahr eine UNESCO-Auszeichnung erhalten, das müssen wir übertrumpfen.«
    Der gerade angebrochene Montagvormittag war die Hölle. Wenn ich in meiner Berufsfindungsphase bereits von diesem Tag gewusst hätte, wäre ich freiwillig Lehrer geworden. Unser Dienststellenleiter KPD, der mit richtigem Namen Klaus P. Diefenbach hieß, hatte alle Mitarbeiter der Kriminalinspektion und auch der Schutzpolizei, deren kommissarischer Leiter er zusätzlich war, zu einer Notlagebesprechung in den Sozialraum befohlen. Normalerweise fand Montagfrüh die unbeliebte und unwichtige Gesamtlagebesprechung statt, die KPD stets zur Selbstbeweihräucherung nutzte und von uns mit permanenter Unpünktlichkeit konterkariert wurde. So kam es, dass ich, wie meist, als letzter Beamter dazustieß und KPD in seinem längst begonnenen Monolog störte. Dieser fixierte mich und meinte zornig: »Guten Morgen, Herr Palzki.« Das ›Herr‹ sprach er mit fünf ›r‹ aus.
    Der seltsame Typ, der neben unserem Chef stand, war mir sofort aufgefallen. Mit blassem und ausdruckslosem Gesicht sowie sehr dicken Brillengläsern, mit denen er wahrscheinlich Gammastrahlen filtern konnte, blickte er mit zuckenden Habichtsbewegungen über das Heer der Beamten. So nervös wie er wirkte, musste er die Leichen Dutzendweise zu Hause im Keller horten.
    KPD hatte längst weitergesprochen, wie immer hörte ich nicht richtig zu. Erst als ein paar böse Signalworte an meine Ohren drangen, die Unbill versprachen, horchte ich auf:
    »… und daher habe ich beschlossen, eine Bildungsoffensive für meine Untergebenen zu starten. Um niemanden von Ihnen zu überfordern«, sein provozierender Blick ging eindeutig in meine Richtung, »fangen wir mit leichteren Lektionen an. Zunächst darf ich Ihnen einen Freund aus alten Tagen vorstellen.« Er klopfte dem untergewichtigen Kerlchen so heftig auf den Rücken, dass ihm das Brillengestell über die Nase rutschte. Gerade noch rechtzeitig konnte dieser es auffangen. Schüchtern lächelte er uns an und nickte.
    »Dies ist Herr Ludwig-Wilhelm Zweier. Als Kunsthistoriker ist er eine Konifere, äh, Koryphäe und hat bereits zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und Studien vorgelegt, die nicht nur in der Fachwelt für Furore sorgten. Insbesondere seine Leistungen zum Thema Kittels, äh, Witt, äh …«
    »Du meinst die Wittelsbacher, Klaus«, fiel ihm sein Freund helfend ins Wort.
    »Ja, ja, genau die meine ich«, beeilte sich KPD, seinen Versprecher zu überspielen. »Den Wittelsbachern hat früher hier so ziemlich alles gehört. Kurpfalz und Wittelsbacher, das ist untrennbar miteinander verbunden, wie Sie alle wissen sollten. Na ja, fast alle.« Wieder blickte er in meine Richtung.
    Oje, Geschichtsunterricht am frühen Morgen, dachte ich. Der letzte lag Jahrzehnte zurück und war im Regelfall alles andere als spaßig. An die Wittelsbacher hatte ich nur vage Erinnerungen. Wenn mich nicht alles täuschte, war auch der größenwahnsinnige Ludwig, der Neuschwanstein erbauen ließ, ein Wittelsbacher.
    »Was sollen wir mit den Bayern?«, fragte ich vorlaut in die Runde, weil mein Mundwerk mal wieder schneller war als mein Gehirn. »Wir haben in der Kurpfalz genug eigene Probleme.« Als Retourkutsche starrte ich meinen Chef an.
    Dieser schnappte heftig nach Luft, um mich für meine Dreistigkeit verbal in der Luft zu zerreißen. Doch Zweier kam ihm zuvor.
    »Sie sind doch Herr Palzki«, sagte er. »Klaus hat Sie vorhin so genannt. Ich will Ihnen was sagen, Herr Palzki und Ihnen damit gleichzeitig Ihr mangelhaftes Halbwissen demonstrieren. Die Wittelsbacher hatten ihren Stammsitz in der Kurpfalz. Ein gewisser Kurfürst Carl Theodor, das war der, der das Mannheimer Barockschloss fertigstellen ließ, hat 1778 Bayern geerbt. Wenn er seine Residenz nicht von Mannheim nach München verlegt hätte, wäre Bayern von Mannheim aus regiert worden.«
    »Genau«, lästerte ich. »Und aus dem Heidelberger Schloss wäre Neuschwanstein geworden.«
    Alle meine Kollegen lachten, was Zweier
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