Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
Habt Ihr dem noch etwas hinzuzufügen?«
    Der Kapitän kaute verlegen auf seinem Daumennagel herum. »Denke schon, Bruder.«
    »Nur zu. Je schärfer die Sichel, umso rascher die Ernte.«
    Der Kapitän schnaubte gequält. »Solange ich zurückdenken kann, habe ich etwas Derartiges noch nicht erlebt«, flüsterte er. »Das war kein Mord, sondern eine einzige Abschlachterei.«
    »Auf den Punkt gebracht: Ihr seid bei der Zurschaustellung von Malachias zugegen gewesen.«
    »Leider Gottes, ja.«
    »Eure Beobachtungen?«
    »Wenn es Euch nichts ausmacht, Bruder, möchte ich sie lieber für mich behalten. Nicht einmal Malachias wäre so mit uns umgesprungen.«
    »Und Coelestinus?«
    Hlavá č ek und Husine č tauschten einen vielsagenden Blick. »Vollkommen unter ihrer Knute«, erwiderte der Kapitän. »Geradezu hörig, unterwürfiger als ein Lakai. Das ausführende Organ, auf alle Fälle.« Der Kapitän pausierte und streifte die Matrone mit einem angewiderten Blick. »Der Dunkelheit wegen haben sie mich erst relativ spät bemerkt. Woraufhin diese Schlächterin da drüben versucht hat, ihr Messer unter einer Taurolle verschwinden zu lassen. Hat wohl gedacht, ich sei von vorvorgestern.«
    »Weshalb dann die Geschichte mit dem Silbertaler?«
    »Ganz einfach: Weil sie gedroht hat, mir alles in die Schuhe zu schieben.« Der Kapitän spie verächtlich aus. »Was hätte ich denn gegen einen Visitator ausrichten können? Ein Wort von ihm, und ich wäre erledigt gewesen. Zumal er gewusst hat, wie sehr ich die Papisten hasse.« Hlavá č ek hielt inne und sah Bruder Hilpert lange an. »Mit Ausnahme von Euch.«
    »Das ist doch wohl die Höhe!«, kreischte die Matrone. Und fügte an die Adresse von Bruder Hilpert hinzu: »Und von so einem böhmischen Scherenschleifer lasst Ihr Euch aufs Kreuz legen? Nicht zu fassen. Dieser Tschechenfurz will doch nur seine eigene Haut retten. Soll ich Euch was sagen? Er ist an allem schuld – nur er. Wer sagt Euch überhaupt, dass nicht er es war, der uns beide dazu angestiftet …«
    »Ich, Mutter!«
    Wenn Bruder Hilpert gedacht hatte, ihn könne nichts mehr erschüttern, dann irrte er. In einem Ausmaß, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
    Die Kajütentür stand weit offen, die Frauengestalt auf der Schwelle wie in Marmor gehauen. Sie wirkte zart, fast gebrechlich, und das pechschwarze Haar fiel in sanften Wellen auf ihre Schultern herab. Bruder Hilpert rieb sich verwundert die Augen. Nein, mit einer derartigen Wendung des Geschicks war weiß Gott nicht zu rechnen gewesen.
    Caelina stand einfach nur da, und das Sonnenlicht, das durch die Tür flutete, verlieh ihrer Silhouette einen geradezu überirdischen Glanz. Fast schien es, als sei die Muttergottes selbst erschienen. »Nein, Mutter!«, verkündete die Tochter der Tuchhändlerwitwe in einem Ton, durch den sich jegliche Zweifel in nichts auflösten. »Du hast uns alle miteinander ins Unglück gestürzt. Dich, meinen geliebten Bruder – und mich.«

     

NACH TERTIA
    Worin das Geschick der Passagiere an Bord der ›CHARON‹ eine unerwartete Wendung erfährt.

     
    »Na endlich – da drunten!« Der Mann in Schwarz, kahl geschoren und bis auf die Zähne bewaffnet, zügelte seinen Rappen und zeigte hinunter ins Tal. Der Main glänzte im Sonnenlicht, und der Wind strich über die leuchtend gelben Weizenhalme hinweg. Bis auf einen Bussard, der unweit des Ankerplatzes der ›Charon‹ seine Kreise zog, deutete nichts auf die Anwesenheit unerwünschter Beobachter hin, was den Finsterling im dunkelblauen Wams hörbar aufatmen ließ.
    »Und wer sagt dir, dass alles glattläuft?«, gab der ebenfalls dunkel gewandete Bewaffnete an seiner Seite auf Tschechisch zurück. »Du kannst sagen, was du willst – Husine č auf dem Schiff zu verstecken, war keine besonders gute Idee.«
    »Besser, als das Risiko einzugehen, einer bewaffneten Patrouille in die Arme zu laufen. Unser Bruder ist schließlich nicht mehr der Jüngste. Oder muss ich dich daran erinnern, dass der Amtmann auf Burg Rothenfels uns drei Dutzend Kriegsknechte auf den Hals gehetzt hat?«
    »Wovon wir gut und gerne zehn Stück unschädlich gemacht haben«, versetzte der Bewaffnete und sah sich Beifall heischend um. Die Begleiter der beiden, sieben schwer bewaffnete Briganten, blieben jedoch stumm.
    »Auf die Gefahr, dass du mich für einen Weichling hältst: Die Sache hätte ebenso gut schiefgehen können. Was zählt, ist einzig und allein, unsere Brüder in Sicherheit zu bringen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher