Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
Speichelfäden und zermalmtem Knochenmark, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren, und sein erster Gedanke war, dies könne nur der Leibhaftige sein.
    »Schon gut, Zerberus, das reicht!« Die Stimme, die dafür sorgte, dass die Bestie von ihm abließ und sich ein paar Atemzüge später wieder trollte, war ihm bestens bekannt. Da er es jedoch nicht auf einen Streit anlegte, rappelte er sich auf, schnappte sich seinen Filzhut und schleuderte dem sich entfernenden Ungetüm wütende Blicke hinterher.
    »Empfängst du deine Gäste eigentlich immer so?«, ließ er seiner Verärgerung freien Lauf, während er seinen Filzhut ausklopfte.
    »Tut mir leid!«, heuchelte der Pfandleiher, wobei sein Gegenüber das Gefühl nicht loswurde, hier sei eine gehörige Portion Schadenfreude im Spiel. »Eine reine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Was ist – willst du, dass wir hier draußen Wurzeln schlagen?«
    »Keineswegs!«, beeilte sich der Pfandleiher zu entgegnen.
    Gegenüber ihm, dem Herrn, hatte er es an Unterwürfigkeit niemals mangeln lassen. Trotzdem wurde er den Verdacht nicht los, dass man dem kurzsichtigen, triefäugigen und am Stock gehenden Greis nicht über den Weg trauen konnte. Eine behäbige alte Ratte, bei deren Anblick er unwillkürlich zurückwich, kauerte auf seiner Schulter, und sein Mund, aus dem anstelle der Zähne ein paar verfaulte Stummel emporragten, machte ihn ebenfalls nicht sympathischer.
    Ein Mann, der über Leichen ging.
    Genau wie er.
    Bedauerlicherweise jedoch genau der Mann, den er für die Verwirklichung seiner Pläne brauchte.
    Als sich der Bretterverhau hinter ihm schloss, klang sein Unbehagen nicht ab, und die stickige Luft tat ein Übriges. Überall lag jeder nur erdenkliche Plunder herum. Kupferkessel, Zaumzeug, Geschirr, Lederkoller und sogar ein Brustharnisch. Alles, was das Herz begehrte. Oder nicht. Je nachdem. Inmitten dieses Durcheinanders aus Truhen, Kisten und Schatullen verschiedenster Größe konnte man sich unmöglich zurechtfinden. Ganz zu schweigen von dem Geruch nach Fledermauskot, Hundepisse und Essensresten, die überall herumlagen. Er rümpfte die Nase. Ein Schweinestall, wie er im Buche stand. Zu dumm, dass man von jemandem wie dem Pfandleiher abhängig war.
    »Ihr seid Eurer Beute wegen hier, stimmt ’ s?«, krächzte der Pfandleiher und legte die Hand auf den Tisch, woraufhin die Ratte von der Schulter hinunterkrabbelte und sich an den Essensresten gütlich tat.
    Beim Anblick des makaberen Spektakels wurde dem Jakobspilger flau im Magen, doch zwang er sich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. »Genau!«, erwiderte er mit einem gekünstelten Lächeln, während die Ratte über den Holzteller herfiel, auf dem eine undefinierbare Mischung aus Hirsebrei, Brotrinde und zerkauten Saubohnen lag.
    »In diesem Fall, fürchte ich, wirst du dich noch einen Tag gedulden müssen!«, greinte der Pfandleiher, legte seinen Stock beiseite und ließ sich auf einen wurmstichigen Schemel sinken.
    »Was hast du da gerade eben …«
    »Dass Ihr Euch bis morgen früh gedulden müsst!«, schnitt ihm der Pfandleiher das Wort ab und scheuchte die Ratte vom Tisch.
    Das war des Schlechten entschieden zu viel, und er musste an sich halten, damit er dem Pfandleiher nicht an die Gurgel ging. »Willst du etwa damit sagen, du bist das Gerümpel nicht losgeworden?«, fuhr er ihn an, außerstande, seinen Jähzorn zu zügeln.
    »Das schon.«
    »Und was soll dann das Getue?«
    »Dringend nötige Investitionen – Ihr versteht!«, wich der Alte aus, brach einen Spreißel aus dem Tisch und stocherte damit im Mund herum.
    »Ich verstehe überhaupt nichts, du Halunke!«
    »Aber, aber – wer wird sich denn gleich so erhitzen!«, beschwichtigte ihn der Pfandleiher in einem Ton, der ihn erst recht in Rage brachte. »Und außerdem: Wer rechnet denn schon damit, dass Ihr die Stirn habt, Euch so schnell wieder hier blicken zu lassen? Den Klosterschatz zu verhökern, ist eine Sache, das Ganze in klingende Münze umzuwandeln, eine andere. Wenn hier jemand ein Risiko eingeht, dann doch wohl ich!«
    »Will heißen?«
    »Das bedeutet, dass ich mir einen Anteil an Eurer Beute redlich verdient habe.«
    »Und an wie viel hast du dreckiger alter Hurensohn gedacht?«
    »Aber, aber – wo bleiben die guten Manieren? Na gut, wenn Ihr es genau wissen wollt: Für meinen Teil wäre ich mit der Hälfte zufrieden.«
    »Die Hälfte? Das ist doch wohl nicht dein Ernst!«, japste er und sah sich instinktiv nach einem Knüppel, Hammer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher