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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns
Autoren: Uwe Klausner
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oder etwas Ähnlichem um.
    »Was immer Euch gerade durch den Kopf gehen mag –«, erahnte der Alte seine Gedanken, »versucht es gar nicht erst! Glaubt mir, Ihr würdet nicht mal zur Tür rüber kommen.«
    »Morgen, sagst du?«, lenkte er unter Aufbietung der spärlichen Reste seiner Selbstbeherrschung ein. »Und wann?«
    »Um die gleiche Zeit.«
    »Treffpunkt?«
    »Am Ziehbrunnen, der auf halbem Weg zwischen dem Stift und dem Pfaffentor liegt. Da er versiegt ist, wird er von niemandem mehr benutzt. Das ideale Versteck, wenn Ihr wisst, was ich meine.«
    Er nickte. »In Ordnung!«, erwiderte er und wandte sich zum Gehen. »Dann also bis morgen.«
    Des Zwielichtes wegen konnte der Pfandleiher das Mienenspiel seines Gastes nicht erkennen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er es bedauert, seinen Hund in die Schranken gewiesen zu haben.

     

MITTAGSLÄUTEN
    Worin Bruder Hilpert Abschied von WÜRZBURG nimmt und Bekanntschaft mit den Passagieren an Bord der ›CHARON‹ macht.

     
    »Eine Frage, Herr Kapitän: Wisst Ihr eigentlich, was es mit dem Namen ›Charon‹ auf sich hat?«
    »Keine Ahnung.«
    »Aha.« Bruder Hilpert wollte etwas hinzufügen, ließ es jedoch bei seinem einsilbigen Kommentar bewenden. Allein schon die Art, wie sich der Schiffsjunge abmühte, erregte sein Mitleid, und der Impuls, ihm zur Hand zu gehen, war stark. Ein Blick auf den Kapitän, der ihn mit Argusaugen beobachtete, überzeugte ihn jedoch vom Gegenteil.
    Das hier ging ihn nichts an. Und damit Schluss.
    Ein paar Augenblicke später war es geschafft. So hatte es zumindest den Anschein. Das Tau, welches die ›Charon‹ mit dem Poller auf dem Mainkai verband, war entknotet, aufeinandergeschichtet und flog mit lautem Surren durch die Luft. Nur leider eben nicht in die Arme des Kapitäns. Nicht beim ersten und auch nicht beim zweiten Versuch. Im Angesicht des erzürnten Kapitäns musste der Schiffsjunge seine ganze Kraft aufbieten, damit es beim dritten Versuch klappte. Geschafft. Sichtlich erleichtert steuerte der flachsblonde Junge auf das Fallreep zu.
    Endlich war es so weit. Nur noch ein paar Handgriffe, dann würde die ›Charon‹ ablegen.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr über eine gewisse Kenntnis in griechischer Mythologie verfügt?«, ließ Bruder Hilpert eher beiläufig verlauten, während er seine Geldkatze unter der Kukulle hervorkramte.
    »Und wer sagt Euch, dass ich es war, der den Kahn getauft hat?«, fragte der Lockenkopf barsch, wandte den Kopf demonstrativ ab und sah dem Schiffsjungen beim Ablegen zu.
    »Stimmt!«, pflichtete ihm Bruder Hilpert nachdenklich bei und hob die Hand zum Gruß. Der Abschied von Berengar und Irmingardis war alles andere als leicht, seine Gelöstheit pure Fassade. »Ach, übrigens – wenn wir gerade dabei sind: Was verlangt Ihr eigentlich für die Fahrt?«
    Obwohl dies der falsche Zeitpunkt war, rief der Lockenkopf dem Schiffsjungen ein paar Kommandos zu und blieb auf dem Weg zum Steuerruder neben Bruder Hilpert stehen. »Lasst stecken, Bruder!«, kehrte er mit Blick auf seine Geldkatze den Gönnerhaften hervor. Die blassgrünen Augen leuchteten belustigt auf, und über das wettergegerbte, von Bartstoppeln übersäte Gesicht flog ein rätselhaftes Lächeln. »Es wird mir eine Ehre sein, Euch für Gotteslohn ans Ziel zu bringen!«
    »Und warum, wenn die impertinente Frage gestattet ist?«
    Der Kapitän lachte heiser auf. »Weil ich eine ganz besondere Schwäche für sämtliche Diener Gottes habe!«, entgegnete er mit beißendem Spott. »Insbesondere für die frommen Brüder!«
    »Freut mich zu hören!«, rief ihm Bruder Hilpert hinterher, als der Lockenkopf eiligen Schrittes ans Steuerruder trat. Der Akzent, mit dem der Kapitän sprach, hatte ihn aufhorchen lassen, obwohl er so tat, als ob er ihm nicht aufgefallen wäre. »Wobei ich mich glücklich schätzen würde, den Namen meines Wohltäters zu erfahren!«, fügte Bruder Hilpert mit perfekter Unschuldsmiene hinzu. »Damit ich den Beistand der Heiligen Jungfrau auf Euer Haupt herabflehen kann. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Ihr dessen bedürft.«
    »Wie recht Ihr doch habt!«, ließ die Antwort auf Bruder Hilperts Seitenhieb nicht lange auf sich warten. Damit, so schien es, war die Angelegenheit jedoch erledigt. Zumindest, was den auf einmal wortkargen Kapitän betraf.
    So leicht ließ sich Bruder Hilpert jedoch nicht abwimmeln und machte keinerlei Anstalten, sich zurückzuziehen. Geraume Zeit hüllten sich die beiden Männer
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