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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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gestanden hatten. Dazu als Gegenspielerin eine harte, erfahrene Frau, die genau auf jedes seiner Worte achtete, ausgestattet mit neuer Machtfülle, mit welcher sie zerstören oder bewahren konnte, je nachdem, wie gut er seinen disziplinlosen Haufen bei der Stange hielt.
    »Er sprach ermüdend lange«, berichtete der Abt offen, »aber er ist ein sehr begabter Redner. Er erinnerte uns daran, daß wir zusammengekommen waren, um zu versuchen, England aus Chaos und Zerstörung zu retten. Er sprach von der Zeit des verstorbenen Königs Henry, als im ganzen Land Ordnung und Frieden gehalten wurden. Und er erinnerte uns daran, wie der alte König, der keinen Sohn hatte, seine Barone zu sich rief und sie einen Treueid auf sein einziges Kind schwören ließ, auf seine Tochter, die Kaiserin Maud, die verwitwet ist und sich mit dem Grafen von Anjou wiederverheiratet hat.«
    Die Barone hatten den Eid geschworen, fast alle jedenfalls, und nicht zuletzt auch Henry von Winchester. Hugh Beringar, der erst vor eine solche Prüfung gestellt worden war, als er für sich selbst entscheiden konnte, schürzte halb geringschätzig und halb mitleidig die Lippen. Er nickte verständnisvoll. »Seine Lordschaft hatten einiges zu erklären.«
    Der Abt versagte es sich, durch ein Wort oder einen Blick der versteckten Kritik an seinem Kirchenbruder zuzustimmen. »Er erklärte, die lange Abwesenheit der Kaiserin, die in der Normandie gewesen sei, habe natürlich einige Sorge um das Wohl des Staates hervorgerufen. Eine Interimszeit ohne Herrscher wäre gefährlich gewesen. Und so, sagte er, wurde sein Bruder, Graf Stephen, als er sich erbot, akzeptiert und einmütig zum König erklärt. Er räumte seinen eigenen Anteil an der Krönung offen ein, denn er selbst war es gewesen, der vor Gott und den Menschen sein Wort dafür verpfändet hatte, daß Stephen die Heilige Kirche ehren und achten werde und die guten, gerechten Gesetze des Landes wahren. Bei diesem Unterfangen, sagte Henry, habe der König jedoch schändlich versagt. Zu seinem großen Kummer und Schmerz müsse er dies zugeben.«
    Das war also der Vorwand für die niederträchtige Fahnenflucht, dachte Hugh. Stephen sollte die ganze Schuld auferlegt werden, da er doch seinen treuen Bruder so enttäuscht und alle seine Versprechen gebrochen hatte, so daß ein Mann Gottes wohl die Geduld verlieren mußte und sich gezwungen sehen konnte, einen Wechsel des Monarchen erleichtert zu begrüßen.
    »Ganz besonders«, fuhr Radulfus fort, »erinnerte er daran, wie der König einige seiner Bischöfe in Ruin und Tod getrieben habe.«
    Darin lag mehr als nur ein Körnchen Wahrheit, wenn auch der einzige Tote, Robert von Salisbury, an Alter, Verbitterung und Verzweiflung gestorben war, nachdem man ihn entmachtet hatte.
    »Deshalb, so sagte er«, fuhr der Abt mit genau berechneter Betonung fort, »habe Gott über den König gerichtet, indem er ihn den Feinden als Gefangenen auslieferte. Und er selbst, im Dienst der Heiligen Kirche treu ergeben, mußte wählen zwischen seiner Hingabe an den sterblichen Bruder und der an seinen unsterblichen Vater und konnte nicht anders, als sich dem himmlischen Richterspruch zu beugen. Deshalb habe er uns zusammengerufen: um sicherzustellen, daß ein Königreich, das seines Königs beraubt war, nicht in Schutt und Asche fiel.
    Und diese Angelegenheit, erklärte er der Versammlung, diese Angelegenheit sei unter dem englischen Klerus ernsthaft erörtert worden, denn der Klerus - so sagte er - habe das Vorrecht vor jedem anderen, einen König zu wählen und zu weihen.«
    In den trockenen, gemessenen Worten lag ein Unterton, der Hugh aufmerken ließ. Denn dies war ein gewaltiger und beispielloser Anspruch, den Abt Radulfus allem Anschein nach mehr als verdächtig fand. Der Legat hatte sein Gesicht zu wahren, und er besaß eine gut geschmierte Zunge, mit der er ein Schutzgitter aus Worten schmieden konnte.
    »Hat es denn eine solche Kirchenversammlung gegeben? Und wart Ihr dabei, Ehrwürdiger Vater?«
    »Es gab eine Versammlung«, sagte Radulfus. »Sie dauerte nicht lange und zeitigte keinesfalls eindeutige Ergebnisse. Den größten Teil der Unterhaltung bestritt der Legat. Die Kaiserin hatte ihre Vasallen geschickt.« Der Abt sprach ruhig und sachlich, aber er war gewiß keiner der Vasallen gewesen. »Ich erinnere mich nicht daran, daß er bei dieser Gelegenheit unser Vorrecht formuliert hätte. Aber da war auch noch kein König gefangengenommen.«
    »Und noch kein neuer
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