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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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doch nach und nach hatten sie entdeckt, wieviel sie beide gemeinsam hatten, der alte Mann - Cadfael räumte höchstens ein, daß er die Mannesblüte ein wenig überschritten hatte - und der junge, dessen Leben gerade begann und der einen so außergewöhnlich wachen Geist und große Klugheit besaß.
    Alles Glück des Lebens lag vor ihm, und er hatte es gefunden, denn nun war er der unumstrittene Sheriff von Shropshire, wenn auch unter einem machtlosen, gefangenen König, und droben in der Stadt, in der Nähe der Kirche St. Marien, hatte er ein Nest, in dem seine Frau und sein einjähriger Sohn auf ihn warteten, wenn er nach getaner Arbeit die Haustüre zuzog.
    Cadfael dachte an sein Patenkind, den stämmigen kleinen Kobold, der munter durch die Zimmer von Hughs Stadthaus krabbelte, seinem Paten ohne Hilfe auf den Schoß kletterte und bereits menschliche Geräusche der Zustimmung, Verwunderung, Empörung und Zuneigung zu äußern begann.
    Jeder Mann bittet den Himmel um einen Sohn, und Hugh hatte seinen bekommen, einen vielversprechenden Sprößling. Und so hatte auch Cadfael durch die Patenschaft vor Gott einen Sohn.
    Die Menschen konnten in dieser Welt glücklich sein, so zerrissen und umkämpft sie auch war, trotz aller Grausamkeit und Gier. So war es immer gewesen, und so würde es immer sein. So würde es bleiben, solange der unbezwingbare Funke der Freude nicht erlosch.
    Als sie nach dem Abendessen und dem Tischgebet im Refektorium in der wohligen Wärme und dem späten Licht des Maitages die Bänke zurückschoben, um sich von der Tafel zu erheben, war Prior Robert Pennant als erster auf den Beinen und richtete sich, mit silberner Tonsur und bleichem Gesicht ganz der strenge Prälat, zu seiner vollen Größe von mehr als sechs Fuß auf.
    »Brüder, ich habe eine weitere Nachricht vom Vater Abt erhalten. Er ist bereits auf dem Heimweg und hat inzwischen Warwick erreicht. Er hofft, am vierten Juni oder sogar eher wieder bei uns zu sein. Er bittet uns, voller Eifer die Vorbereitungen zur Feier von St. Winifreds Überführung zu treffen und unserer barmherzigen Schutzherrin die gebührende Ehre zu erweisen.«
    Vielleicht hatte der Abt ihn pflichtgemäß in dieser Weise instruiert, doch der Nachdruck kam von Robert selbst, der sich als Patron der Patronin sah. Er musterte die treu ergebenen Brüder an den Tischen des Refektoriums wie ein Adliger, der seine Leibeigenen betrachtet, und richtete sich an die ergebensten unter ihnen. »Bruder Anselm, habt Ihr die Musik vorbereitet?«
    Bruder Anselm, der Vorsänger, der selten an etwas anderes als an seine Neumen (mittelalterliche Notenzeichen) und seine Instrumente dachte, hob zögernd den Kopf, bemerkte, daß er gemeint war, und starrte den Prior großäugig an. »Der Ablauf der Prozession und des Gottesdienstes ist vorbereitet«, sagte er, etwas überrascht, daß es jemand für nötig hielt, danach zu fragen.
    »Und Ihr, Bruder Denis, habt Ihr alles vorbereitet und die Vorratskammern aufgefüllt, damit wir eine große Zahl von Gästen bewirten können? Wir werden sicher jeden Schlafplatz und jeden Teller brauchen, den wir nur finden können.«
    Bruder Denis, der für die Gäste verantwortlich war, an äußere Unruhe gewöhnt und in seiner Domäne ein selbstsicherer Herrscher, erklärte gelassen, daß er alle nötige Vorsorge getroffen habe und außerdem Reserven bereitständen, auf die er, wenn nötig, zurückgreifen könne.
    »Wir werden auch viele Kranke versorgen müssen, die ja gerade zu uns kommen, weil sie krank sind.«
    Bruder Edmund, der Krankenwärter, wartete nicht ab, bis er aufgerufen wurde, sondern erhob sich und erklärte lebhaft, daß er diesen Umstand berücksichtigt habe und auf die erhöhte Nachfrage nach Krankenlagern und Medikamenten eingestellt sei. Weiterhin wies er darauf hin, daß Bruder Cadfael bereits Vorräte von all jenen Medizinen geliefert habe, die höchstwahrscheinlich gebraucht würden, und bereit sei, jede Not zu lindern, die sonst noch entstehen mochte.
    »Gut denn«, sagte Prior Robert. »Der Vater Abt hat noch ein weiteres Anliegen. Er bittet uns, bei jedem Hochamt für den Seelenfrieden eines guten Mannes zu beten, der heimtückisch in Winchester erschlagen worden ist, als er, wie es seine Christenpflicht verlangte, versuchte Frieden zu halten und die beiden Parteien zu versöhnen.«
    Einen Augenblick schien es Bruder Cadfael und wahrscheinlich auch den meisten anderen Brüdern, als sei der Tod eines einzigen Mannes, noch dazu weit
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