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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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während Stephen, der gekrönte und gesalbte Herrscher, eingesperrt und bewacht drunten im Kerker saß. Sein Bruder, Henry von Blois, der Bischof von Winchester und päpstlicher Legat, bei weitem der einflußreichste Kirchenmann und bislang ein Unterstützer seines Bruders, steckte in der Klemme. Er konnte ein Held sein und sich vernehmbar und entschlossen zum König bekennen, wodurch er sich die Feindschaft einer nicht ungefährlichen Dame zuziehen würde, deren Stern rasch stieg, oder er konnte sein Mäntelchen nach dem Wind hängen, sich mit dem wechselhaften Glück abfinden und sich auf ihre Seite schlagen.
    In aller Stille natürlich und mit guten Argumenten versehen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Allerdings war es möglich, dachte Cadfael, der nicht einmal einem Bischof lautere Motive absprechen wollte, daß Henry in erster Linie Recht und Ordnung am Herzen lagen, so daß er bereit war, jeden zu unterstützen, der sie gewährleisten konnte.
    »Was mir Sorgen macht«, sagte Hugh beunruhigt, »ist der Mangel an verläßlichen Nachrichten. Gerüchte höre ich mehr als genug, und jedes neue widerspricht dem letzten, aber nichts, worauf ich wirklich bauen könnte. Ich werde froh sein, wenn Abt Radulfus zurück ist.«
    »Nicht nur Ihr, sondern alle Brüder hier im Haus werden sich freuen«, stimmte Cadfael inbrünstig zu. »Ausgenommen vielleicht Jerome; der plustert sich immer auf, wenn Prior Robert die Verantwortung für das Kloster innehat, und die Wochen, seit der Abt nach Winchester gerufen wurde, hat er sichtlich genossen. Aber Roberts Regiment gefällt uns anderen gar nicht gut, das kann ich Euch versichern.«
    »Wie lange ist der Abt jetzt fort?« überlegte Hugh. »Sieben oder acht Wochen! Der Legat liebt es anscheinend, Würdenträger um sich zu versammeln. Mit dieser Unterstützung fällt es ihm zweifellos leichter, sich der Kaiserin entgegenzustellen. Henry ist kein Mann, der sich ohne weiteres vor einem Prinzen verneigt, und er braucht jeden Rückhalt, den er bekommen kann.«
    »Er läßt allerdings einige Würdenträger ziehen«, sagte Cadfael.
    »Das könnte ein Anzeichen dafür sein, daß er eine Art Abkommen getroffen hat. Oder man hat ihn glauben gemacht, daß er eines getroffen hätte. Der Vater Abt hat eine Nachricht aus Reading geschickt; er müßte in einer Woche wieder hier sein. Ihr werdet kaum einen besseren Augenzeugen finden als ihn.«
    Bischof Henry hatte sich alle Mühe gegeben, den Verlauf der Ereignisse selbst zu bestimmen. Indem er Anfang April alle Prälaten und Äbte im Bischofsrang nach Winchester einberufen und die Versammlung von einer gewöhnlichen Kirchenversammlung zu einem Bischofskonzil aufgewertet hatte, konnte er sich für die folgenden Verhandlungen eine gute Ausgangsposition sichern und sogar vor dem Erzbischof Theobald von Canterbury, der in rein englischen Kirchenangelegenheiten sein Vorgesetzter war, seine Vorrangstellung behaupten. Letzteres spielte allerdings keine große Rolle, denn Cadfael bezweifelte, daß Theobald sich daran gestoßen habe, daß er ausgebootet worden sei.
    Angesichts der Umstände war der stille, ängstliche Mann wahrscheinlich froh, sich unbemerkt im Schatten halten zu können und dem Legaten die Hitze der Sonne zu überlassen.
    »Ich weiß. Wenn ich seinen Bericht über die Dinge, die drunten im Süden vor sich gegangen sind, erst angehört habe, kann ich meine Vorkehrungen treffen. Wir sind hier weit genug entfernt, und Stephens Königin, Gott schütze sie, hat eine recht ansehnliche Streitmacht aufgestellt. Die Flamen, die in Lincoln entkamen, sind zu ihrer Truppe gestoßen. Sie wird Himmel und Erde in Bewegung setzen, um Stephen aus der Gefangenschaft zu befreien, und ihr wird jedes Mittel dazu recht sein. Sie ist«, sagte Hugh überzeugt, »ein besserer Soldat als ihr Herr. Keine bessere Kämpferin auf dem Schlachtfeld - ihr könntet in ganz Europa keinen Kämpfer finden wie ihn, ich sah ihn in Lincoln - es war ein Wunder! Aber die bessere Befehlshaberin, das ist sie. Sie hält an ihren Zielen fest, wo er ermüdet und einer anderen Beute nachjagt. Man sagte mir, und ich glaube es, daß sie südlich des Flusses ihren Kordon immer enger um London zieht. Je näher die Rivalin an Westminster herankommt, desto enger wird die Schlinge gezogen.«
    »Ist es denn sicher, daß die Londoner bereit sind, die Kaiserin einzulassen? Wir haben gehört, daß sie spät zum Konzil gekommen sind und halbherzig für Stephen gesprochen haben, bevor sie
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