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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition)
Autoren: Andrej Kurkow
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Einsätze bezahlen…«
    Viktor sah sich um.
    »Da lang!« das Mädchen zeigte auf einen dicken grünen Vorhang.
    Viktor ging durch den Vorhang und befand sich tatsächlich sofort in einer anderen Welt, die schon mehr seiner Vorstellung entsprach, aber sehr ruhig war. Im gesamten Kasino zählte er sieben Leute. Einer saß am Roulettetisch und spielte allein mit dem Croupier. Am zweiten Roulettetisch spielten drei Leute. Zwei spielten Poker. Von irgendwoher drang leise Musik herüber. Viktor entdeckte einen Gang, aus dem gerade ein Mädchen mit einem Glas Wein kam. Über dem Gang leuchtete ein schwaches Neonschild: BAR.
    Viktor ging zu dem nächsten Roulettetisch, an dem nur der eine Mann spielte. Der war entweder ein Japaner oder ein Koreaner, und er spielte mit stiller Verbissenheit.
    Viktor setzte sich neben ihn und machte, nachdem er dem einsamen Spieler eine Weile zugesehen hatte, seinen ersten Einsatz.
    Die Kugel rollte im Kreis, und als sie zum Stillstand kam, schob der Croupier Viktor einige Jetons zu.
    ›Ich habe gewonnen!‹ begriff Viktor.
    Früher hatte er ein Roulette nur im Kino gesehen, und auch jetzt erschien ihm alles, was mit ihm geschah, wie ein neuer Film. Er verspürte das Abenteuer. Er setzte alle seine Jetons auf rouge und gewann wieder. Der Japaner oder Koreaner starrte ihn mißtrauisch an.
    Viktor setzte alle Jetons auf pair und gewann wieder.
    Es wurde langweilig. Er schob die Jetons in die Tasche der Windjacke und ging in die Bar. Da bestellte er sich einen doppelten französischen Cognac, gab einen Jeton und bekam drei Jetons zurück, natürlich in einer anderen Farbe.
    ›Eine Kinderwelt‹, dachte er. ›Spielgeld, Spielzeugpreise, spielende Menschen…‹
    Mit dem Glas in der Hand kehrte er in den Saal zurück, setzte eine Handvoll Jetons auf noir und gewann wieder.
    ›Der dümmste Bauer hat die größten Kartoffeln‹, dachte er und nickte sich selbst zu.
    Der Japaner oder Koreaner war verschwunden, und Viktor spielte jetzt allein. Er spürte bereits das Gewicht der vielen Plastikjetons in beiden Taschen der Windjacke.
    »Hör mal«, sagte er zu dem Croupier, einem jungen eleganten Burschen im weißen Hemd und mit einer Fliege. »Was muß ich mit diesen Jetons machen?«
    »Die können Sie wieder in Dollars tauschen«, sagte der Croupier.
    Viktor nickte und gewann weiter.
    Dann wieder die Bar, das Restaurant, eine winzige Frau ohne Alter und Figur. Ein Hotelzimmer. Er erinnerte sich an die außergewöhnlich starken Hände der Frau.
    Am Morgen wachte Viktor allein auf. Sein Kopf dröhnte. Er stand auf, sah aus dem Fenster: der bekannte Platz, daneben ein Markt.
    ›Nein, ich gehe nirgendwohin‹, dachte er entschlossen. ›Noch habe ich Geld, das ich nachher nicht mehr brauche…‹
    Plötzlich kam ihm ein Verdacht, und er suchte in den Taschen seiner Windjacke nach den Jetons. Aber zu seiner Verwunderung waren sogar die Dollars noch da, außerdem jede Menge Jetons.
    Nachdem er sich gewaschen und angezogen hatte, ging er ins Restaurant hinunter, wo er für einige Jetons ausgezeichnet aß und wieder trank. Er kehrte in sein Zimmer zurück, schlief bis zum Abend und begab sich ins Kasino.
    Die zweite Nacht war noch erfolgreicher als die erste. Er gewann und gewann, und es war ihm völlig gleichgültig, was mit ihm weiter passieren würde. Im Unterbewußtsein begriff er, daß dauernd zu gewinnen nicht gut war. Aber gleichzeitig schien ihm dieser Gedanke absurd. Die Leute spielen ja, um zu gewinnen.
    Als er in der Bar einiges getrunken hatte, ging er zur Umtauschkasse. Dort war niemand, aber anscheinend hatte man ihn bemerkt, und an der Kasse erschien ein eleganter junger Mann, dem Aussehen nach etwa siebzehn Jahre alt, auch in einem weißen Hemd mit einer Fliege.
    Viktor begann, seine Jetons aus den Taschen auf das Brett vor der Kasse zu schütten.
    In einem bestimmten Moment sah er einen Funken von Schrecken in den Augen dieses Jungen. Er hielt inne und sah ihn aufmerksam an.
    Der Junge schüttelte fast unmerklich den Kopf.
    »Sie sollten das jetzt nicht alles umtauschen«, flüsterte er. »So kommen Sie hier nicht lebend raus!«
    Viktor sah ihn argwöhnisch an.
    »Und was soll ich machen?« fragte er.
    »Spielen Sie bis zum Morgen, und dann rufen Sie von hier aus Ihre Freunde an, sie sollen Sie am Eingang des Hotels abholen…«
    »Sind das bei Ihnen die Regeln?« fragte Viktor betrunken-verwundert.
    »Nein«, sagte der Junge. »Bei uns herrschen anständige Regeln, aber nicht alle
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