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Mitternachtserwachen

Mitternachtserwachen

Titel: Mitternachtserwachen
Autoren: Linda Mignani
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Prolog
     
    Das Grauen kam kurz vor der Abenddämmerung, bevor die Schatten der Nacht das Land ereilten, gleich eines frostklirrenden Hauchs, der sich lähmend auf Lior legte. Er zog die Verteidigungshaltung nicht durch, sodass beinahe das Schwert seines Vaters sich in seine Schulter gebohrte hätte.
    Greer zog die Klinge in letzter Sekunde zurück, drehte sich in einer fließenden Bewegung zu den Bäumen, zu sehr Krieger, um Lior für die unbedachte Reaktion zu schelten.
    Sein Vater war der erste Leutnant der Lugus, ein Söldner der Dunkelheit und die rechte Hand von Nosferat, ihrem Obersten. Greer trug den Titel zu recht. Nur wenige überlebten einen Zweikampf mit ihm, sollte er zum tödlichen Schlag ausholen.
    Die Welt steckte in der düsteren Zeit des Mittelalters, die in allen Kreaturen, sowohl den menschlichen als auch den nichtmenschlichen, die schlimmsten Seiten zum Vorschein brachte.
    „Bleib hinter mir, Lior“, stieß Greer hervor.
    Eine Jägerin trat lautlos aus dem dichten Wald. Ein erbarmungsloses Lächeln lag auf dem ebenmäßigen Gesicht. Sie hielt zwei Krummsäbel gekreuzt vor dem Körper, deren Inschriften rot leuchteten.
    Sie war eine Marbhadair, dazu erschaffen, um das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten.
    Doch Wahnsinn suchte die Vollstreckerinnen heim. Sie wussten nicht mehr zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, mordeten, um die Herrschaft über die Erde zu erlangen. Sie waren aus dem Licht in die absolute Dunkelheit gestürzt. Eine bösartige Energie hatte sich ihrer bemächtigt, sich schleichend ausgebreitet, bis es zu spät gewesen war, um sie zu retten.
    Die Andersartigen, die verborgen auf der Erde weilten, hatten beschlossen, die einstigen Vollstreckerinnen auszumerzen, denn sie waren zu einem Albtraum geworden. Und nun war eine der Verbliebenen gekommen, um Rache zu nehmen.
    „Greer, nimm deine letzten Atemzüge.“ Sie wisperte die Worte, die auf Greer und ihn zuschwebten wie ein Sandsturm, getragen von der Magie der Kreatur, der über Liors Haut kratzte.
    Die Jägerin schlich näher, eine wunderschöne Killerin mit der Anmut einer Tänzerin. Lior glaubte nicht, dass sie gegen Greer bestehen konnte, aber sie war zu irrsinnig, um es zu realisieren.
    Ihr Blick fiel auf Lior. Er sah rote Flecken in ihren Pupillen leuchten, das Merkmal des unheilbaren Wahnsinns, der sie befallen hatte.
    „Mit dir, Jüngling, gönne ich mir ein wenig Spaß, ehe ich dich schlachte wie ein Tier.“ Sie nahm einen tiefen Atemzug, witterte ihn wie eine Bestie mit bebenden Nasenflügeln. „Du bist noch unschuldig in jeder Hinsicht, wirst jedoch als Mann sterben.“ Sie spannte den Körper an.
    Sein Vater wartete den Angriff nicht ab. Er rannte auf sie zu, das Schwert sicher in der Hand, die kraftvollen Schritte ein Indiz seiner Erfahrung. Er verschwendete keine Energie mit leeren Worten, darauf konzentriert, das Monster zu töten.
    Die Jägerin lachte fauchend wie ein Eisdrache. Lior hörte ein Rascheln, drehte sich zur Seite und sah weitere Killerinnen aus dem Schatten des Waldes hervortreten. Sie wirkten wie Schwestern, die langen dunklen Haare zu Zöpfen geflochten, der Körperbau athletisch, die Augen bernsteinfarben. Ihr Erscheinungsbild hatte sich über die Jahrhunderte kaum verändert, hatte seine Mutter ihm erzählt. Sie entstammten alle desselben Ursprungs, der Urmarbhadair und einem mächtigen Hexer, die noch vor der Entstehung des Menschen auf der Erde weilten. Die Angelus, die Engel der Finsternis, und die Lugus wurden sehr viel später erschaffen, um die Menschheit zu zügeln. Gerade der Mensch verlangte nach Kontrolle, weil er die kriegerischste Spezies darstellte, die jemals entstanden war. Das hatte sich von Anfang an gezeigt.
    Wenn eine Marbhadair mordete, leuchtete ein Schriftzeichen auf ihrer Stirn, und jetzt erstrahlten die verschnörkelten Zeichen hell.
    Chancenlos standen sie der Übermacht gegenüber.
    Lior befand sich am Anfang seiner Ausbildung, hatte niemals gekämpft mit dem Ziel, den Gegner zu verwunden oder umzubringen.
    Vier stürzten sich auf Greer. Der Tod näherte sich Lior auf leisen Sohlen, mit einem Lächeln so gefühllos, dass sein Herzschlag sich verdreifachte. Er ging in die Verteidigungshaltung, verkrampfte seine Hand um das Schwert, da seine Finger zitterten. Sie lächelte, weil sie wusste, dass er ihr unterlegen war.
    Er schaffte keinen Schlag, da ihn etwas von hinten ansprang, seine Kehle in einem eisernen Halt packte, ihn zu Boden riss und auf den Bauch drehte.
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