Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peter Nimble und seine magischen Augen

Peter Nimble und seine magischen Augen

Titel: Peter Nimble und seine magischen Augen
Autoren: J Auxier
Vom Netzwerk:
während er mit vier Kerzenleuchtern, zwei Kuckucksuhren und einer billigen Lederkappe aus dem Dachfenster kletterte. Da hörte er plötzlich einen Schrei.
    Wie ihr wisst, sind Schreie schreckliche, schrille Geräusche, die nervige Leute machen, wenn sie die Aufmerksamkeitauf sich lenken wollen. Meistens sind sie ziemlich wirkungslos, weil diejenigen, die sie hören, sich einfach die Ohren zuhalten und mit dem weitermachen, womit sie gerade beschäftigt sind. Aber es gibt auch eine andere Art Schreie, die man nicht so leicht ignorieren kann: den Schrei eines Wesens, das dem Tod entgegensieht – einen urtümlichen, verzweifelten Laut, der nicht nur unsere Ohren trifft, sondern auch unser tiefstes Inneres. Peter hatte diesen Laut bisher nur ein einziges Mal gehört, nämlich als er sich aus einem Sack mit ertrinkenden Kätzchen befreit hatte. Jetzt hörte er diesen furchtbaren Schrei erneut, und er kam ganz aus der Nähe.
    Peter stand vollkommen reglos auf dem Rand des Daches. Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die jeder Einbrecher beherrschen muss, ist, reglos zu verharren. Das ist zwar nicht so beeindruckend wie Safeknacken und Fassadenkletterei, aber genauso nützlich. In Mr Seamus’ Ausbildung hatte der Junge sogar gelernt, seinen Herzschlag anzuhalten, damit Wachhunde ihn in der Dunkelheit nicht wahrnahmen. (Bei Killer funktionierte dieser Trick jedoch bisher leider nicht.) Peter lauschte in die kalte Nachtluft. Der erste Schrei war so kurz gewesen, dass er ihn nicht hatte orten können.
    Ein paar Sekunden später hörte er den Schrei erneut. Er kam von einem der Tiere aus der Nähe der städtischen Ställe. Peter wog den halb leeren Sack, der über seiner Schulter hing. Er hatte noch etliche Einbrüche zu tätigen und konnte sich keine weitere Ablenkung leisten. Aber das Schreien hörte und hörte nicht auf, und schließlich konnte er es nicht länger ertragen. Er kletterte hinunter und machte sich auf, um nachzuschauen, was da los war.
    Peter lief durch die Straßen, bis er zu einer schmalen Gasse kam, die hinter den Ställen entlangführte. Er hörte etwas,das wie das Wiehern eines Pferdes klang. Und er hörte noch mehr: Beifallsrufe und ab und an das Klirren eines Metallgegenstands auf dem Kopfsteinpflaster. Die Gasse beschrieb eine scharfe Kurve, und Peter blieb mit dem Fuß an einem leeren Bierkrug hängen. Er stolperte und hätte beinahe seine kostbare Kiste mit den Eiern fallen lassen. Nachdem er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, reckte er vorsichtig den Kopf um die mondbeschienene Hausecke, um zu lauschen.
    »Toller Wurf!«, rief jemand. »Genau auf den Streifen!«
    »Das gilt nicht! Die Klinge muss sich zweimal drehen!«, beschwerte sich ein anderer.
    »Halt die Klappe und wirf!«
    Vorsichtig rückte Peter ein Stück näher und versuchte herauszufinden, was da vor sich ging. Das Tier roch wie ein Pferd oder ein Maultier – so nah am Stall konnte er es nicht genau unterscheiden. Was immer es war, es schien sich in großer Not zu befinden. In dem Moment erklang eine tiefe Stimme, die die anderen verstummen ließ. »Aus dem Weg, ihr Babys. Ich zeig euch jetzt mal, wie das geht.« Bei den Worten lief Peter ein eisiger Schauer über den Rücken. Er kannte die Stimme. Sie gehörte Pencil Cookson.
    Pencil Cookson war der gemeinste, bösartigste und gefährlichste Junge im ganzen Hafen. Er war ein paar Jahre älter als Peter und doppelt so groß wie er. Pencil war ebenfalls ein Waisenjunge, aber aus ganz anderen Gründen. Es hieß, als er acht Jahre alt gewesen war, hätte sein Vater – ein Säufer, dem wegen seiner Schulden Gefängnis drohte – ihn als Schiffsjunge an einen Kapitän aus der Stadt verkauft. Doch Pencil hatte eine Todesangst vor dem Wasser und weigerte sich, an Bord zu gehen. Als seine Eltern ihn zu zwingen versuchten, überwältigte er sie beide, Mutter und Vater,und tötete sie mit einem Bleistift, mit dem er gerade seine Hausaufgaben gemacht hatte. (So war er zu seinem Namen gekommen.) Kurz nachdem er so zum Waisenjungen geworden war, versammelte Pencil ein paar von den übelsten, herzlosesten Jungen der Stadt um sich. Sie nannten sich die Messerwerfer-Bande.
    Für diejenigen unter euch, die es nicht wissen: Das mit dem Messerwerfen ist ursprünglich ein Spiel für harte Jungs, bei dem es darum geht, ein Messer so zu werfen, dass es mit der Klinge in der Erde stecken bleibt. Eigentlich ein ziemlich harmloser Zeitvertreib – aber natürlich nicht, wenn Pencil Cookson und seine Bande
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher