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Peter Nimble und seine magischen Augen

Peter Nimble und seine magischen Augen

Titel: Peter Nimble und seine magischen Augen
Autoren: J Auxier
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namens Mr Seamus begegnete.
    Mr Seamus war ein großer, hagerer Mann mit fleischigen Händen und einem riesigen Kopf. Wegen seiner ungeschickten Finger war es ihm nicht gelungen, seinen Traum zu verwirklichen und als Fassadenkletterer in Häuser einzubrechen. Stattdessen hatte Mr Seamus sich auf eine Karriere als Bettelkrämer verlegt. Er adoptierte Waisenkinder, machte sie zu Krüppeln und schickte sie auf die Straße, um zu betteln. Jedes Kind, das es wagte, mit leeren Händen nach Hause zu kommen, wurde am Schlafittchen gepackt und ans Arbeitshaus verkauft. Alles in allem hatte Mr Seamus während seiner Laufbahn wohl an die dreißig Waisenkinder verbraucht.
    Peter war fünf Jahre alt, als der Bettelkrämer ihn zum ersten Mal auf dem Markt neben einem Obststand bemerkte. »Hallo, Junge!«, sagte Mr Seamus und ging auf ihn zu. »Wie heißt du?«
    »Die Leute nennen mich Blinder Pete, Sir«, erwiderte der Junge, der noch zu klein war, um zu wissen, dass man besser nicht mit Fremden sprach.
    Mr Seamus beugte sich vor, um ihn genauer zu mustern. Die Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass blinde Kinder besonders erfolgreiche Bettler waren. »Und wo sind deine Eltern?«, fragte er.
    »Ich habe keine Eltern«, sagte der Junge. Mittlerweile war Peters Hunger so groß, dass er rasch eine Hand hinter den Rücken schob und einen Apfel von dem Obststand stahl.
    Mr Seamus beobachtete den Diebstahl aus dem Augenwinkel, und es verschlug ihm beinahe den Atem. Der Junge hatte den Apfel nicht von oben gestohlen, sondern tief aus der Mitte des Haufens, ohne dass auch nur ein einziger anderer Apfel sich bewegte. Für einen normalen Menschen wäre so etwas unmöglich gewesen, aber für diesen Gossenjungen war es so einfach wie atmen. Mr Seamus erkannte sofort, dass er einen äußerst begabten Dieb vor sich hatte.
    Aufmerksam beäugte er die zierlichen Finger des Jungen. »Nun, Pete«, sagte er mit seiner liebenswürdigsten Stimme, »ich heiße Mr Seamus, und ich bin mächtig froh, dass wir uns begegnet sind. Ich bin nämlich ein großer, wichtiger Geschäftsmann, aber ich habe keinen Sohn, mit dem ich meine Reichtümer teilen könnte.« Während er sprach, nahm er den Apfel aus Peters kleinen Händen und biss hinein. »Was hieltest du davon«, fragte er geräuschvoll kauend, »mein Geschäftspartner zu werden? Du könntest in meiner Villa wohnen, an meinem Tisch essen und mit Killer, meinem Hund, spielen.«
    »Was für ein Hund ist er denn?«, fragte Peter in der Hoffnung, dass der Hund groß genug war, um auf ihm zu reiten.
    »Äh, er ist ein … Siamese «, sagte Mr Seamus nach kurzem Nachdenken.
    »Sind Siamesen groß?«
    »Riesengroß. Ich glaube, er könnte dich mit einem Biss verschlingen, wenn er wollte.« Mr Seamus warf sich den Apfelrest in den Mund und verschlang ihn mit einem Biss. »Nun, was meinst du, Pete?«
    Es gab keine Villa. Und auch keine Reichtümer, Bedienstete oder Leckereien. Killer existierte tatsächlich, aber er war dreibeinig und schon ziemlich alt, und wie die meistenAlten mochte er keine Kinder. Anstatt Peter auf seinem Rücken reiten zu lassen, verbrachte er die Zeit im Wesentlichen damit, zu humpeln, zu knurren und den Sabber von seiner hässlichen Schnauze zu lecken.
    Mr Seamus gab sein Bettelkrämerdasein auf und begann ein neues Leben. Er verkaufte seine anderen Waisenkinder und widmete sich voll und ganz Peters Ausbildung als Dieb. Im ersten Jahr schloss er Peters Mahlzeiten in einer alten Schiffstruhe ein. Wenn Peter etwas essen wollte, musste er das Schloss mit bloßen Fingern knacken. Dadurch lernte er nicht nur wertvolle Einbrechertricks, sondern ersparte Mr Seamus auch eine Menge Kosten. Es dauerte nämlich zwei Wochen, bis Peter sich in seinem neuen Zuhause seine erste Mahlzeit erarbeitet hatte. Als es ihm endlich gelang, das Schloss der Truhe zu öffnen (indem er, ohne es zu wissen, eine Diebestechnik anwendete, nämlich den sogenannten »McNeery Twist«), waren die Essensreste darin längst verdorben. Doch nach und nach wurde er immer geschickter im Schlösserknacken, bis er schließlich sämtliche Exemplare in der Sammlung seines Herrn beherrschte.
    Mr Seamus unterwies Peter auch in der hohen Kunst des Schleichens: wie man über Holzdielen, Dächer und sogar Kies geht, ohne ein Geräusch zu machen. Der Junge lernte schnell und beherrschte bald die gesamte Bandbreite der Diebeskünste, vom Fensterschneiden bis hin zur professionellen Arbeit mit dem Seil. Mit zehn Jahren war Peter Nimble der
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