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Winterwunder

Winterwunder

Titel: Winterwunder
Autoren: Nora Roberts
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Prolog
    Die Trauer kam in Wellen, heftig und stoßweise, erschütternd und herzzerreißend. An anderen Tagen schwappten die Wellen langsam und träge, drohten, die Seele zu ertränken.
    Gute, liebevolle Menschen behaupteten, die Zeit werde die Wunden heilen. Parker hoffte, dass sie Recht ha tten, doch als sie Monate nach dem plötzlichen, schockierenden Tod ihrer Eltern in der Spätsommersonne auf dem Balkon ihres Schlafzimmers stand, rollten die unberechenbaren Wellen immer noch heran.
    Sie hatte so viel, rief sie sich in Erinnerung. Ihr Bruder Del, ohne den sie diese Zeit der Trauer vermutlich nicht überlebt hätte, war in dem weiten Meer aus Schock und Kummer ein Fels in der Brandung gewesen. Ihre Freundinnen Mac, Emma und Laurel waren ein Teil ihres Lebens, ein Teil von ihr , und das seit ihrer Kindheit. Sie waren der Klebstoff gewesen, der die Bruchstücke ihrer Welt gekittet und zusammengehalten hatte. Und sie hatte die beständige, rückhaltlose Unterstützung ihrer langjährigen Haushälterin Mrs Grady, ihrer Insel des Trostes.
    Sie hatte ihr Zuhause. Die Schönheit und Eleganz des Brownschen Anwesens kamen ihr irgendwie tiefer, klarer vor, seit sie wusste, dass sie ihre Eltern nicht mehr durch die Gärten spazieren sehen würde. Nie wieder würde sie nach unten rennen und ihre Mutter in der Küche finden, wo sie mit Mrs G. lachte, oder hören, wie ihr Vater in seinem Arbeitszimmer ein Geschäft abschloss.
    Anstatt zu lernen, auf den Wellen zu reiten, spürte sie, wie sie tiefer und tiefer hinunter ins Dunkel gezogen wurde.
    Die Zeit, beschloss sie, musste genutzt, beschleunigt, in Bewegung gebracht werden.
    Sie glaubte – hoffte – einen Weg gefunden zu haben, die Zeit nicht nur zu nutzen, sondern in Ehren zu halten, was ihre Eltern ihr geschenkt hatten, und diese Gaben mit der Familie und den Freundinnen zu vereinen.
    Produktiv zu sein, dachte sie, als der erste Hauch von würzigem Herbstduft durch die Luft wehte. Die Browns arbeiteten . Sie bauten und produzierten, und sie lehnten sich nie, niemals zurück, um sich auf etwas Erreichtem auszuruhen.
    Ihre Eltern hätten von ihr erwartet, dass sie nicht weniger leistete als ihre Vorfahren.
    Ihre Freundinnen mochten denken, sie hätte den Verstand verloren, doch sie hatte recherchiert, gerechnet und ein solides Unternehmenskonzept entworfen, ein verlässliches Modell, und mit Dels Hilfe auch einen fairen und vernünftigen Vertrag.
    Es war Zeit zu schwimmen, sagte sie sich.
    Untergehen würde sie nicht.
    Sie ging zurück ins Schlafzimmer und nahm die vier dicken Pakete, die sie auf ihre Frisierkommode gelegt hatte. Bei der Besprechung sollte jede eins bekommen – auch wenn sie ihren Freundinnen nicht gesagt hatte, dass sie zu einer Besprechung kommen würden.
    Sie hielt inne und nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihr glänzendes braunes Haar zum Pferdeschwanz zurückzubinden. Dann starrte sie sich so in die Augen, bis durch ihre schiere Willenskraft in dem Tiefblau ein Funke aufblitzte.
    Sie konnte dafür sorgen, dass es funktionierte. Nein, sie alle konnten dafür sorgen.
    Parker musste die anderen nur davon überzeugen.
    Unten traf sie auf Mrs Grady, die letzte Hand ans Essen legte.
    Die resolute Frau wandte sich vom Herd ab und zwinkerte ihr zu. »Bereit?«
    »Zumindest vorbereitet. Ich bin nervös. Ist das albern? Sie sind meine besten Freundinnen.«
    »Es ist ein großer Schritt, den du gehen und zu dem du sie auffordern willst. Du wärst eine Idiotin, wenn du nicht ein bisschen nervös wärst.« Mrs Grady trat auf Parker zu und nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. »Ich setze auf dich. Geh nur nach draußen. Ich habe ein bisschen was Exklusives gemacht und serviere euch Horsd’ œ uvres und Wein auf der Terrasse. Meine Mädels sind schließlich erwachsen.«
    Das wollte Parker sein, aber, o Gott, in ihr war ein Kind, das sich nach Mama und Papa sehnte, nach dem Trost, der Liebe, der Sicherheit.
    Draußen legte sie die Päckchen auf einen Tisch und ging zum Weinkühler, um sich ein Glas einzuschenken.
    Dann stand sie da, mit dem Glas in der Hand, und ließ in dem sanfter werdenden Licht den Blick über die Gärten schweifen, bis hin zu dem hübschen kleinen Teich und den Weiden, die sich darin spiegelten.
    »Gott! Davon brauch ich unbedingt auch was.«
    Mit diesen Worten stürzte Laurel aus dem Haus. Sie trug ihr blondes Haar brutal kurz – ein neuer Look, den sie schon bereute – und steckte noch in der Arbeitskleidung ihres Jobs als
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