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Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers

Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers

Titel: Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Autoren: Thomas Lötz , Peter Neururer
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Neururer will keine posttraumatischen Ängste aufkommen lassen. Er stellt sich auf den Abschlag, benötigt die vorgesehenen vier Schläge für die Spielbahn. Am nächsten Tag ist er wieder da. Wieder allein. Wieder spielt er nur die 17, mehr gibt sein Körper noch nicht wieder her. Er hat die Chance auf ein Birdie, absolviert das Loch am Ende mit fünf Schlägen. Die Erinnerung an das, was einen Monat zuvor auf dieser 247 Meter langen Spielbahn geschehen ist, kehrt nicht wieder.
    Zwei Wochen später schafft Peter Neururer dann seine erste komplette Runde auf dem Golfplatz - ohne Elektrokart. Er zieht seinen Wagen mit der Schlägertasche ohne fremde Hilfe über den Platz. Er hält der Belastung stand. Sein nächstes Ziel ist es, wie früher montags und freitags mit seinen Freunden aus dem »Schalker Golfkreis« zu spielen, am Mittwoch dann den sogenannten Herren-Nachmittag auf dem Golfplatz zu absolvieren.
    Viele Menschen werden nach einem überlebten Herzinfarkt spirituell, gläubig. Neururer hat sich bei allem Glück, das ihm zuteilgeworden ist, nicht wieder der Amtskirche zugewandt, in der er zwar aufgewachsen ist, der er aber seit Langem skeptisch gegenübersteht. Er glaubt nicht an die Idee vom allmächtigen Schöpfer, weil der nach Meinung des Trainers auf dieser Welt zu viel Elend, Verbrechen und Ungerechtigkeit zulässt. Dass es indes irgendeine höhere Instanz gibt, die die Dinge leitet oder beeinflusst, glaubt Neururer nach dem Glück an seinem Unglückstag schon. Er muss grinsen: »Ich hab den jetzt mal den Fußballgott genannt. Und der hat mich wohl doch noch ein bisschen hier unten behalten wollen.« Andererseits hat sich Neururer seit dem Infarkt immer wieder gefragt, weshalb ausgerechnet er ihn hat erleiden müssen. »Wie sagt man so schön«, sagt Neururer, »im Fußball gleicht sich eben immer alles aus.«
    Als er das erste Mal wieder Kontakt mit dem realen Fußball hat, wird es bewegend für den 57-Jährigen. Sein Ex-Club Schalke spielt in der Vorbereitung auf die kommende Erstligaspielzeit zu Hause gegen den AC Milan. Neururer ist von seinem Sender Sporti in die Gelsenkirchener Arena eingeladen worden. Als er das Stadion betritt, um unten im Innenraum vor der Kamera eine kurze Einschätzung zur Situation bei Schalke und dem unmittelbar bevorstehenden Spiel zu geben, warten dort knapp 40 Fotografen auf ihn. Als Neuru-rer sich dann Richtung Tribüne wendet, um die Stufen hoch zu einem Platz zu gehen, wo seine Freunde vom »Schalker Golficreis« auf ihn warten, hört er den Stadionsprecher. Der begrüßt den ehemaligen Schalke-Trainer öffentlich und wünscht ihm über die Lautsprecheranlage alles Gute. Als die 40 000 Zuschauer aufstehen und klatschen, kämpft Neururer mit den Tränen.
    Früher hat er sich in solchen Situationen zur Entspannung schon mal eine Zigarette angezündet. Das ist vorbei. Der Kettenraucher Neururer hält sich strikt an das Rauchverbot der Ärzte. Seine letzte Kippe hat er auf der Golfrunde genossen, kurz bevor er den Infarkt erlitten hat. Geraucht hat Neururer aber in den letzten Jahren ohnehin nur noch, wenn er keinen Job hatte. Wenn er auf keiner Bank Platz nehmen, keine Mannschaft trainieren durfte. Seit 2010 ist er als Experte beim Fernsehsender Sporti, die Arbeit bereitet ihm Spaß, ein Ersatz für seinen eigentlichen Job, den des Trainers, ist sie nicht.
    Doch stressig ist der TV-Job für Neururer auch immer gewesen. Vor seinem Infarkt ist er etwa am Montagmittag im eigenen Auto von Gelsenkirchen nach Dresden gefahren, hat dort das Zweitligaspiel gegen den VfL Bochum analytisch begleitet. Das Angebot seines Senders, an diesem Abend in einem Dresdener Hotel zu schlafen, schlägt Neururer aus und fahrt stattdessen noch in der Nacht die 550 Kilometer nach Hause zurück, damit er am kommenden Morgen um neun Uhr pünktlich mit seinen Golffreunden auf dem Abschlag stehen kann.
    So ein Programm hat Neururer in den letzten Jahren nach seinem Engagement in Duisburg etwa dreimal die Woche durchgezogen: Er legt die An- und Abreisen zu seinen Terminen mit dem Auto oder dem Flugzeug stets so, dass er im
    Anschluss daran sofort den nächsten Termin wahrnehmen kann - ob beruflich oder privat. Aus dem Flugzeug durch das Terminal zum Fahrdienst zum Sender in die Maske, noch ein kurzer Werbeblock Pause, dann hinein ins Studio -und Action!
    Die Grenzen verschwimmen, der Zeitdruck, der Stress, den er sich auch selbst macht, nimmt zu. »Bin Wahnsinn«, sagt Neururer heute. Vor seinem Infarkt
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