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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich ein zweiter Soldat an den Hals und fiel in einer absurd langsamen Bewegung nach hinten. Schreie und das ununterbrochene Krachen von Schüssen wurden noch lauter, und der Moment war so von Schmerz, Furcht und köstlicher, purer Gewalt gesättigt, dass Andrej am liebsten vor Wonne aufgeschrien hätte.
    Noch bevor er auch nur zur Gänze begriff, was überhaupt geschah, barst die Wasseroberfläche hinter ihm zum zweiten Mal in einer Wolke aus gischtendem Schaum, und Don Corleanis schoss an die Oberfläche. In seiner Hand hielt er ein fast unterarmlanges Messer, das er wuchtig und mit unerwarteter Schnelligkeit schwang, sodass es Andrej in seiner unglücklichen Haltung nicht mehr gelang, ihm auszuweichen.
    Was auch gut so war, denn Corleanis’ Klinge verfehlte ihn so knapp, dass sie sowohl seinen Mantel als auch das Hemd vom Kragen bis zum Gürtel hinab aufschlitzte. Sie ritzte die Haut darunter nicht einmal an, verfuhr jedoch mit den Lederriemen um seine Handgelenke umso unbarmherziger. Andrej spürte nicht einmal, wie sie durchtrennt wurden, nur dass er von einem Atemzug auf den anderen frei war.
    Alles Weitere übernahmen seine Reflexe, ohne dass es seines bewussten Zutuns bedurft hätte. Wahrscheinlich hätten sie es sogar gegen seinen ausgesprochenen Willen getan.
    Andrej rollte herum, trat einem Soldaten, der auf ihn anlegte, die Waffe aus der Hand und katapultierte sich aus derselben Bewegung heraus ins Wasser. Eine fast daumendicke Bleikugel hinterließ in der Bordwand ein Loch – genau da, wo gerade noch sein Kopf gewesen war. Die Kugel hatte selbst zwei Fuß unter Wasser noch genügend Wucht, um ihm die Luft aus den Lungen zu pressen, als sie ihn zwischen den Schulterblättern traf. Für einen einzigen Moment drohte er das Bewusstsein zu verlieren. Nur mit purer Willensstärke gelang es ihm, die Schmerzen – obwohl er sie nach wie vor genoss – zurückzudrängen und mit einer kraftvollen Bewegung die Oberfläche zu durchstoßen.
    Rings um ihn herum tobte das Chaos: Schüsse, Schreie und Schlachtenlärm sowie das Geräusch zahlreicher Körper, die ins Wasser stürzten, vermengten sich zu einem einzigen kreischenden Crescendo. Mündungsfeuer blitzte, und Kugeln klatschten eisernem Regen gleich ins Wasser, verwandelten Holz in tödliche nadelspitze Splitter und Fleisch in spritzende rote Fetzen. Messer blitzten, und er hörte das charakteristische Klirren aufeinanderprallender Schwerter und immer wieder gellende Schmerzens-und Todesschreie. Und es wurde schlimmer. Die Schlacht – einen Kampf konnte man es nicht mehr nennen – breitete sich mit der Schnelligkeit eines Steppenbrandes aus und war längst auf das Ufer übergesprungen. Auch von dort hallten Schüsse und das Klirren von Schwertern über das Wasser, und er sah miteinander ringende Schatten. Hinter der Schanzwand der Pestmond hatten sich Männer erhoben, die ebenfalls auf die Soldaten in den kleinen Ruderbooten feuerten, und auch aus den ausgelaufenen Booten wurde geschossen.
    Auch Abu Dun hatte sich losgerissen und fiel gerade in diesem Moment mit einem gewaltigen Platschen ins Wasser. Dabei brachte er es irgendwie fertig, noch einen der Männer mit sich zu reißen, die das Pech gehabt hatten, ihn zu bewachen. Nicht einmal seine gewaltige Kraft hatte ausgereicht, die Kette zu zerreißen, und trotzdem war er frei. Andrej sah, dass die Kette nur noch an seinem linken Handgelenk befestigt war, an ihrem anderen Ende baumelte seine eiserne Hand, deren Lederriemen er kurzerhand zerfetzt hatte. Mit zwei oder drei kräftigen Zügen schwamm Andrej zum Boot zurück, um sich wieder hineinzuziehen. Ein vorwitziger Bursche versuchte ihm den Lauf seiner leer geschossenen Muskete ins Gesicht zu rammen, und Andrej packte die Waffe mit der linken Hand und schleuderte sie mitsamt ihrem Besitzer über Bord. Mit der anderen Hand zog er sich vollends ins Boot zurück, rollte herum und trat blindlings zu, als er einen Schatten aus den Augenwinkeln gewahrte, der auf ihn zusprang. Er traf nicht, aber der Bewegung folgte trotzdem ein weiteres lautstarkes Platschen, als der Mann über Bord fiel, vielleicht durch seine eigene erschrockene Bewegung aus dem Gleichgewicht gebracht oder von einer der Kugeln getroffen, die die Luft noch immer wie ein zorniger Hornissenschwarm erfüllten.
    Mit ihm befanden sich jetzt nur noch zwei Soldaten an Bord. Der eine war dumm genug, Andrej angreifen zu wollen, und handelte sich eine Maulschelle ein, die ihn auf der Stelle das
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