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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gestikulierte immer heftiger mit beiden Armen, und Andrej war sich nicht ganz sicher, meinte aber, ihn ein paarmal wie ein trotziges Kind mit dem Fuß aufstampfen zu sehen. Immer wieder deutete er auf die Boote und schüttelte heftig den Kopf. Der Ausdruck auf Corleanis’ Gesicht schien von Sekunde zu Sekunde betroffener zu werden. Vielleicht stritten sie sich ja um die Aufteilung der Beute, dachte Andrej bitter. Es war lange her, dass er sich so sehr in einem Menschen getäuscht hatte wie in Vater Lucio.
    Schließlich schienen die beiden zu einem Ergebnis gekommen zu sein, denn Corleanis nickte mehrmals und machte eine befehlende Geste, woraufhin die beiden Männer, die sie flankierten, in unterschiedliche Richtungen davonstürmten, während Corleanis und Lucio sich auf den Weg zum Ende des Steges machten.
    Sie würden sich beeilen müssen, wenn sie Danelli noch einholen wollten. Der Kapitän kletterte gerade in das Boot, in dem Hasan bereits Platz genommen hatte, und die letzten Soldaten trafen alle Vorkehrungen zum Aufbruch – abgesehen von denen, die die Assassinen bewachten. Andrej fragte sich, was Danelli für diese Gefangenen plante. Er wäre nicht weiter erstaunt gewesen, hätte der Kapitän sie kurzerhand erschießen lassen. Aber worauf warteten sie dann noch?
    Das Boot schaukelte, als sich weitere drei oder vier Soldaten dem halben Dutzend hinzugesellten, das bereits darinsaß (und Andrej misstrauisch und mit angelegten Musketen beäugte). Die ersten Ruder wurden ins Wasser getaucht. Andrej spannte noch einmal prüfend die Muskeln an, aber es blieb dabei: Die Handfesseln hielten. Einen Moment lang überlegte er ernsthaft, sich mit den Füßen abzustoßen (vorzugsweise im Gesicht eines ganz speziellen Burschen, der unmittelbar vor ihm saß und mit einem breiten Grinsen nur auf einen Vorwand wartete, seine Waffe abzufeuern) und sich auf diese Weise rücklings ins Wasser fallen zu lassen, verwarf diesen Gedanken aber rasch wieder. Zwar war er selbst mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen ein ausgezeichneter Schwimmer, und er konnte ungleich länger unter Wasser bleiben als jeder andere hier, aber früher oder später würde er wieder auftauchen. So ungern er es zugab: Ihre Lage war so aussichtslos wie schon lange nicht mehr.
    Der Gedanke weckte seinen Trotz.
    Abu Dun und er hatten gegen Götter gekämpft – und gewonnen! –, und nun sollten sie vor ein paar dahergelaufenen Piraten und einem verräterischen Pfaffen kapitulieren?
    Er hielt nach dem Objekt seines Zorns Ausschau und gewahrte Lucio nur noch ein paar Schritte entfernt, wo er stehen geblieben war, während Corleanis das Ende des Stegs bereits erreicht hatte und nun seinerseits heftig gestikulierend auf den Kapitän einredete. Andrej konnte auch jetzt nicht verstehen, worum es ging, aber Danelli sah nicht begeistert aus. Lucio hingegen sah überallhin, nur nicht in seine Richtung, obwohl – oder wahrscheinlicher, weil – er seinen Blick spüren musste. Andrej konnte ihn durchaus verstehen, aber er bedauerte, dass er wohl keine Gelegenheit mehr bekommen würde, ein eingehendes Gespräch mit Vater Lucio über die Begriffe Vertrauen und Ehrenwort zu führen.
    Irgendwann gab er es auf, Vater Lucio niederstarren zu wollen, und sah wieder zu Don Corleanis, der noch immer wild mit den Händen fuchtelnd auf den venezianischen Kapitän einredete. Danelli wirkte alles andere als begeistert, sogar ein bisschen zornig, während Corleanis abwechselnd auf ihn, die Pestmond und den zweiten großen Lagerschuppen deutete.
    So ging es eine ganze Weile, während sich die Boote mehr und mehr mit Männern füllten und weitere Ruder ins Wasser getaucht wurden. Danelli sah mittlerweile aus, als könne er sich gerade noch beherrschen, den Schmugglerkönig nicht kurzerhand niederschießen zu lassen. Stattdessen jedoch raffte er sich endlich dazu auf, Corleanis mit einer herrischen Geste das Wort abzuschneiden. Doch anstatt davonzurudern stand der Kapitän vorsichtig in dem schwankenden Boot auf, ließ sich von Corleanis auf den Steg helfen und folgte ihm mit finsterem Gesicht zurück zum Ufer.
    Andrej tauschte einen fragenden Blick mit Abu Dun, bekam ganz wie erwartet nur ein angedeutetes Schulterzucken zur Antwort und sah noch einmal zu Lucio hin.
    Diesmal konnte sich der Geistliche seinen bohrenden Blicken nicht mehr entziehen. Er sah ihm immer noch nicht direkt in die Augen, sondern benutzte den alten Trick, einen imaginären Punkt auf seiner Stirn zu
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