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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dun vielleicht nicht aufgehalten hätten, hätten die Schüsse die anderen Soldaten alarmiert. Er hob langsam die Hände in Schulterhöhe und signalisierte Abu Dun mit einem fast beschwörenden Blick, dasselbe zu tun und auf eine bessere Gelegenheit zu warten. Wenn die Soldaten nur zwei oder drei Schritte näher kamen …
    Sie taten es, und Abu Dun nahm ihm die Entscheidung ab, indem er seine stumme Anweisung ignorierte und sich so blitzartig bewegte, dass die Männer vermutlich nicht einmal sahen, was sie traf. Der eine fiel stocksteif nach hinten und ließ seine Muskete fallen, als Abu Duns Linke gegen seine Schläfe prallte, sein Begleiter kam immerhin noch dazu, ein überraschtes Keuchen auszustoßen – und den Abzug zu betätigen. Doch der krachende Schuss, auf den Andrej wartete, blieb aus. Abu Duns eiserne Hand war vorgeschossen und hatte den Schlagbolzen einfach abgerissen, bevor die brennende Lunte das Pulver berühren konnte. Ohne auch nur in der Bewegung zu stocken, riss Abu Dun die Muskete weiter hoch und schlug den Soldaten mit seiner eigenen Waffe bewusstlos.
    »Das war beeindruckend«, sagte eine Stimme hinter Andrej.
    Dieser fuhr mit einer mindestens ebenso schnellen Bewegung wie Abu Dun zuvor herum – und hob abermals die Hände. Er blickte in mindestens ein halbes Dutzend Musketenläufe, die auf Abu Dun und ihn zielten. Wo zum Teufel waren die Kerle so schnell hergekommen?
    »In der Tat, ich frage mich, ob ich den beiden Burschen auf meinem Schiff nicht Unrecht getan habe«, fuhr der Kapitän der venezianischen Caravelle fort. »Ihr seid tatsächlich so schnell, wie sie behauptet haben. Da habe ich sie wohl ganz umsonst aufhängen lassen … «
    Andrej hörte weitere Geräusche und wusste, dass nun auch hinter ihm Soldaten mit schussbereiten Waffen aufgetaucht waren. Hätte er es nicht für ausgeschlossen gehalten, dann wäre er jede Wette eingegangen, dass sie in eine sorgsam vorbereitete Falle getappt waren.
    Der Kapitän signalisierte seinen Männern mit einer Geste, auf der Hut zu bleiben, und kam einen einzelnen Schritt näher, ehe er die Hand hob und einen spöttischen Salut andeutete. »Wir haben uns zwar schon einmal gesehen, aber ich fürchte, dass wir einander nicht vorgestellt wurden. Kapitän Danelli. Und ihr seid …?«
    »Andrej Delãny«, antwortete Andrej und machte eine Kopfbewegung hinter sich. »Abu Dun. Mein … Sklave.«
    »Ich weiß, wer ihr seid«, antwortete Danelli.
    Andrej sah die hastige befehlende Geste, die er mit der linken Hand machte, aber er konnte nur noch die Muskeln in seinem Rücken anspannen, um dem Kolbenstoß, der seinen Nacken traf, die allerschlimmste Wucht zu nehmen. Ihm wurde schwarz vor Augen, und der Schmerz ließ ihn auf die Knie sinken. Tränen schossen in seine Augen. Er hoffte inständig, dass Abu Dun nichts Unbedachtes tat. Das Kräfteverhältnis war denkbar ungünstig, aber das hatte den Nubier noch nie daran gehindert, es trotzdem zu versuchen.
    Danelli wartete, bis er die Tränen weggeblinzelt hatte und mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf hob, ehe er noch immer lächelnd und in vollkommen unverändertem Ton fortfuhr: »Umso weniger wüsste ich es zu schätzen, wenn unsere Bekanntschaft mit einer Lüge beginnen würde. Ich weiß, wer ihr seid, und ich weiß auch, was ihr seid.«
    Andrej hielt es für das Klügste, nicht zu antworten, und stemmte sich mit zusammengebissenen Zähnen in die Höhe. Dabei lehnte er sich halb gegen die Wand, als fiele es ihm schwer, den Schmerz zu unterdrücken und aus eigener Kraft zu stehen – was nicht so weit von der Wahrheit entfernt war, wie er es gerne gehabt hätte. Es kostete ihn erhebliche Anstrengung, Danellis Gesicht zu fixieren, und für einen Moment sah er den Kapitän doppelt.
    »Beginnen wir noch einmal von vorn?«, schlug der Kapitän vor. »Eure Namen kenne ich ja nun, ob sie wirklich so lauten oder nicht, spielt keine Rolle, und ich überlasse es euch, wie wir weiter verfahren: Ich kann euch gleich hier erschießen lassen, oder ihr gebt eure Waffen ab und lasst euch widerstandslos binden …«
    »Und du lässt uns dann erschießen?«, erkundigte sich Abu Dun.
    »… und ich nehme euch mit, damit die Richter im Palazzo Ducale über euer weiteres Schicksal entscheiden können. Ich bin sicher, dass man euch dort sehr schnell der Piraterie überführen wird!«
    Auch wenn Andrej diese Aussicht nicht gerade entzückte, schien es ihm im Augenblick wenig ratsam, es auf einen Kampf ankommen zu lassen.
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