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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Arm und langte mit der anderen Hand unter Abu Duns Mantel, um Alis Fernrohr aus seinem Gürtel zu ziehen.
    Ein Instrument wie dieses schien Lucio nicht fremd zu sein, denn er zog es ohne die mindeste Unsicherheit auseinander und setzte es an. Eine endlos erscheinende Minute lang fixierte er die beiden Männer, die mittlerweile ebenfalls am Pier angekommen waren, wobei sich seine Finger so fest um das Metallrohr schlossen, dass Andrej seine Gelenke knacken hörte. Abu Dun legte die Stirn in Falten, auch wenn Andrej annahm, dass er sich eher um das empfindliche Instrument sorgte als um den Priester.
    »Unmöglich«, stammelte Lucio. »Aber das kann nicht … sie haben doch gesagt, dass …«
    »Ihr kennt diesen Mann, Vater?«, fragte Andrej lauter und in deutlich schärferem Ton als zuvor.
    Der Geistliche antwortete auch diesmal nicht sofort, sondern starrte eine weitere kleine Ewigkeit zu Hasan hin, ehe er das Glas endlich sinken ließ. Abu Dun riss es ihm aus der Hand und brachte es hastig wieder unter seinem Mantel in Sicherheit.
    »Du kennst diesen Mann«, sagte Andrej noch einmal. Jetzt war es keine Frage mehr, und er war auch mehr als nur ein wenig beunruhigt.
    Vater Lucio sah noch immer an ihm vorbei. Sein Gesicht hatte das allerletzte bisschen Farbe verloren, und Andrej war nicht einmal mehr sicher, ob er noch atmete. Aber schließlich rang er sich zu einem abgehackten Nicken durch.
    »Ich habe ihn … schon einmal gesehen«, bestätigte er stockend.
    Andrej war sich sicher, dass Lucio weit mehr als Hasan nur schon einmal gesehen hatte. Aber er spürte auch, dass er keine ausführlichere Antwort bekommen würde … und genau das war der Moment, in dem Vater Lucio sich so abrupt losriss, dass es sowohl Andrej als auch Abu Dun überraschte. Es gelang dem Nubier nicht mehr, zu verhindern, dass der Geistliche mit weit ausgreifenden Schritten in Richtung Pier stürmte. Ganz instinktiv wollte Andrej ihm folgen, doch Abu Dun packte ihn und schmetterte ihn gegen die Wand, sodass ihm die Luft wegblieb.
    Es hätte ohnehin nichts mehr genutzt. Lucio war noch keine drei Schritte weit gekommen, als zwei Soldaten wie aus dem Nichts neben ihm auftauchten, ihn an den Armen ergriffen und brutal auf die Knie warfen. Der fremde Kapitän unterbrach sein halblaut geführtes Gespräch mit Hasan und sah stirnrunzelnd in ihre Richtung, und auch Don Corleanis drehte sich so ruckartig um, dass sein Mehrfachkinn in schwabbelnde Wellenbewegungen versetzt wurde.
    »Dieser Narr!«, entfuhr es Abu Dun. »Und ich dachte, bei euch Christen wäre Selbstmord eine Todsünde!«
    Andrej verstand den Geistlichen ebenso wenig. Trotz seines Priesterstandes hatte er Lucio bislang für einen recht rationalen Menschen gehalten, der zwar sehr wohl an die Existenz einer übergeordneten Macht glaubte, dabei aber die realen Gefahren des Lebens niemals aus den Augen ließ und sich keineswegs darauf verließ, dass Gott im Notfall schon ein Wunder wirken würde, um ihn zu retten. Was er jetzt tat, war der schiere Wahnsinn.
    »Lass uns verschwinden«, drängte Abu Dun. »Wenn der Priester redet, dann ist unser Vorteil dahin.«
    Und das stimmte, wurde Andrej schmerzlich bewusst. Abu Dun hatte recht. Ihr einziger Vorteil war, dass Corleanis sie für tot hielt, aber das würde gewiss nicht mehr lange so bleiben.
    »Dann machen wir es so, wie du vorgeschlagen hast«, sagte er widerwillig. »Erst das Schiff, dann Hasan.« Er hasste es, so überstürzt handeln zu müssen, aber es blieb ihnen keine Wahl. Die beiden Soldaten zerrten Lucio derart brutal zwischen sich her, dass es ihm nicht einmal gelang, auf die Beine zu kommen. Corleanis trat ihnen entgegen und sagte etwas, das Andrej nicht verstand, doch er konnte seinen Gesichtsausdruck deuten.
    Andrej zog sich rasch wieder ein Stück zurück, wandte sich zu Abu Dun um … und ihm wurde klar, dass sie erst gar nicht dazu kommen würden, auf ihre unausgereifte Idee zurückzugreifen. Denn hinter ihnen waren so leise zwei Soldaten aufgetaucht, dass er sie erst viel zu spät bemerkt hatte. Der eine hatte seine Muskete bereits angelegt, der andere tat es genau in diesem Augenblick. »Nehmt die Hände hoch«, rief er, »und rührt euch nicht, oder wir schießen!«
    Andrej überschlug blitzschnell ihre Chancen. Wären die beiden Schwertkämpfer gewesen, hätte er keine Sekunde gezögert, sich auf sie zu werfen … doch sie waren offensichtlich gut ausgebildete Schützen. Auch wenn die heimtückischen Schusswaffen ihn und Abu
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