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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bewusstsein (und ein paar Zähne) kostete, den anderen packte Andrej kurzerhand am Kragen und schleuderte ihn ins Wasser. Mit rudernden Armen musste er um sein Gleichgewicht kämpfen und sich hastig auf ein Knie sinken lassen, als das Boot wild zu schaukeln begann. Abu Dun war ebenfalls wieder aufgetaucht und hatte sich dem Boot zugewandt, aus dem er gefallen war. Aber der Nubier machte sich nicht die Mühe, wieder hineinzuklettern, er warf es kurzerhand um.
    Als Andrej sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, war der Kampf so gut wie vorbei. Auf den schwankenden Booten hatten die Soldaten praktisch keine Chance gehabt zu zielen (oder gar zu treffen), und schon gar nicht, ihre Musketen nachzuladen. Ein Großteil von ihnen war verletzt oder tot, und die anderen ließen nun einer nach dem anderen ihre Waffen sinken und hoben die Arme. Corleanis’ Piraten feuerten trotzdem weiter und streckten noch drei oder vier Männer nieder, ehe ihr Anführer mit einem gebrüllten Befehl dafür sorgte, dass es endgültig aufhörte. Nur an Land wurde noch gekämpft, auch wenn Andrej den Eindruck gewann, dass sich die Vorzeichen inzwischen umgekehrt hatten. Es fielen nur noch vereinzelte Schüsse, doch dafür nahmen das Reißen von Stahl und die keuchenden Schreie der Getroffenen zu. Nicht zum ersten Mal, aber noch nie so deutlich wie jetzt, fiel ihm auf, dass es tatsächlich einen Unterschied gab zwischen den Schreien eines Mannes, der von einer Kugel getroffen wurde, und dem, in dessen Fleisch der scharfe Stahl einer Klinge biss.
    Andrej sprang mit einem kraftvollen Satz auf den Steg hinauf und registrierte eher erstaunt als wirklich überrascht, dass es Abu Dun irgendwie gelungen war, vor ihm auf den Pier zu kommen – und er es sich natürlich nicht nehmen ließ, den allerletzten Widerstand der Soldaten eigenhändig zu brechen. Andrej war sich nicht einmal sicher, ob die beiden Männer, die ihnen entgegengelaufen kamen, überhaupt noch kämpfen wollten. Der eine hatte seine Waffe bereits weggeworfen und sah einfach nur noch entsetzt aus, der andere schwenkte seine Muskete eher so, als wollte er sie zum Zeichen der Aufgabe an ausgestreckten Armen über den Kopf heben. Dummerweise bewegte er sie dabei aber auch in Abu Duns Richtung, und das nahm der nubische Hüne zum Anlass, mit seiner eisernen Faust nach ihm zu schlagen. Der Mann sah einen Sekundenbruchteil eher verblüfft als wirklich erschrocken aus, denn er befand sich noch ein gutes Stück außerhalb von Abu Duns Reichweite – oder wäre es gewesen, hätte die eiserne Faust nicht immer noch an der ebenfalls eisernen Kette gehangen, die ihre Reichweite noch einmal um eine gute Armeslänge vergrößerte. Die vierfingerige Eisenhand traf den Mann wie ein bizarrer Morgenstern an der Stirn und bremste ihn nicht nur in vollem Lauf ab, sondern ließ ihn einen kompletten Rückwärtssalto schlagen. Er war schon bewusstlos, als er mit dem, was von seinem Gesicht übrig war, auf dem Pier aufschlug. Angesichts seines Schicksals zog es sein Kamerad vor, gleich ins Wasser zu springen.
    Abu Dun machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, verzichtete aber immerhin darauf, dem Mann nachzusetzen. Er blieb nur kurz stehen, um seine Hand einzuholen, wie es ein Fischer mit einer Wurfleine getan hätte, deren Haken leer geblieben war, und eilte dann mit weit ausgreifenden Schritten weiter, um sich an dem Handgemenge am Ufer zu beteiligen.
    Sie kamen zu spät. Der Kampf war vorüber, noch bevor Abu Dun eine Chance hatte einzugreifen. Das Ergebnis war ungleich schrecklicher als das der improvisierten Seeschlacht. Andrej erkannte mit einem einzigen Blick, dass nur einer der Assassinen reglos am Boden lag und wohl auch nie wieder aufstehen würde. Von Danellis Männern jedoch war kein einziger am Leben geblieben. Der Kapitän hatte sie mit großer Wahrscheinlichkeit als Erschießungskommando zurückgelassen, und Hasans Assassinen wiederum waren nichts als käufliche Mörder, die ihr ganzes Leben damit verbracht hatten, immer neue Methoden zu erlernen, Menschen umzubringen. Dennoch hätte er ein gewisses Bedauern angesichts all dieser Leben verspüren sollen, die hier so sinnlos ausgelöscht worden waren. Aber alles, was er empfand, war Zorn. Zorn, dass es nicht seine Klinge gewesen war, die all dieses Blut vergossen hatte, und nicht seine Hände, die all diese Leben ausgelöscht hatten.
    Er erschrak nicht einmal mehr angesichts dieser Gedanken, denn es war nicht das erste Mal, dass er so empfand,
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