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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dunkelheit, wie er daraus aufgetaucht war.

Kapitel 3
    S päter an diesem Tag brachte Hamed ihn tatsächlich in sein Dorf, wenn auch um etliches später, als Andrej beabsichtigt hatte. Erst hatte er gewartet, bis sich seine Augen endgültig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und die Kammer dann gründlich nach irgendwelchem Ungeziefer abgesucht, das nur auf sein Fortgehen wartete, um sich über Abu Dun herzumachen. Abgesehen von ein paar harmlosen Kakerlaken und etlichen noch harmloseren Sandflöhen war er zwar nicht fündig geworden, aber er hatte sich dennoch die Mühe gemacht, den ohnehin halb verschütteten Gang, durch den Hamed hereingekommen war, vollkommen zu verschließen. Endlich wieder im Freien war er nicht nur auf dieselbe Weise mit der Öffnung verfahren, die er in die Decke gebrochen hatte, sondern hatte auch noch große Sorgfalt darauf verwandt, sämtliche Spuren zu verwischen. Ganz gelang es ihm nicht, aber was er begonnen hatte, würden Wind und Sand vollenden, und in wenigen Tagen schon würde nichts mehr verraten, dass er je hier gewesen war.
    Dass seine Mühe sinnlos war, dessen war sich Andrej bewusst. Weder gab es in dieser Gegend wilde Tiere, noch war die Ruine von Interesse für Grabräuber. Aber er war es Abu Dun schuldig gewesen, noch etwas für ihn zu tun.
    Der Tag war schon ein gutes Stück fortgeschritten, als er endlich zu Hamed zurückkehrte, der noch immer geduldig am Fuße des Berges auf ihn wartete, und als sie endlich das Dorf des alten Mannes erreichten, da war die Sonne schon nicht mehr allzu weit von ihrem Zenit entfernt und die Hitze beinahe unerträglich.
    Andrej war auf eine Art müde, wie er sie schon lange nicht mehr erlebt hatte. Seine Glieder waren schwer wie Blei, und jeder einzelne Schritt schien ihn mehr Kraft zu kosten als der davor. Noch nie hatte er sich so verloren gefühlt, so entsetzlich mutlos. Solange er sich zurückerinnern konnte, war da tief in seinem Inneren ein Quell schier unerschöpflicher Kraft gewesen und ein Wille, der stärker war als sein eigener und ihn befähigte, auch in der aussichtslosesten Situation nicht aufzugeben und nur zu oft das Unmögliche zu schaffen. Jetzt war dieser Quell versiegt, und wo er sein sollte, gähnte nur ein bodenloser Abgrund, von dem eine düstere Verlockung ausging. Er stellte keine Fragen, sah sich nicht um und erhob schon gar keine Einwände, als Hamed ihn zu einer kleinen Hütte am Rande des Dorfes führte und ihm bedeutete, hineinzugehen und sich auszuruhen.
    Tatsächlich schlief er auf der Stelle ein, und als er erwachte, spürte er nicht nur, dass er sehr lange geschlafen hatte, sondern auch, dass er weder allein noch von selbst aufgewacht war. Jemand saß neben seinem Lager und beobachtete ihn, jemand, der sich zwar mit einigem Erfolg bemühte, leise zu sein, der aber weder das Atmen einzustellen noch sein Herz am Schlagen zu hindern vermochte.
    Andrej lauschte mit geschlossenen Augen und wartete darauf, dass der schlechte Geschmack verging, den der Schlaf in seinen Gedanken hinterlassen hatte. Er hatte einen Albtraum gehabt, erinnerte sich aber nicht daran, was er geträumt hatte, wofür er sehr dankbar war. Vorsichtig öffnete er die Augen und stellte ohne Überraschung fest, dass es schon wieder Nacht war. Er musste den ganzen Tag geschlafen haben, fühlte sich aber kein bisschen erfrischt.
    Der Raum war klein und so gut wie leer. Das »richtige Bett« , von dem er Hamed vorgeschwärmt hatte, hatte sich als zerschlissener Teppich entpuppt, der auf dem nackten Boden lag, und es war kalt. Eine einzelne Öllampe verbreitete mehr Schatten und harzigen Brandgeruch als Licht, in das sich der unverkennbare Geruch von Kamelen und Ziegen mischte, der von draußen hereinwehte.
    Als Andrej den Kopf drehte und sich auf die Ellbogen hochstemmte, sah er gerade noch eine kleine schwarze Gestalt raschelnd aufspringen und hastig aus der Tür stürzen. Bedauernd hob er die Schultern – wer immer es war, er hatte ihn gewiss nicht erschrecken wollen –, setzte sich aber weiter auf und gewahrte eine flache Schale mit Wasser und eine zweite mit dünnem Fladenbrot, das ein wenig verbrannt aussah und auch so schmeckte, als er davon kostete. Trotzdem schlang er nach kurzem Zögern nicht nur alles bis auf den letzten Krümel hinunter, sondern trank auch das abgestandene Wasser. Hinterher waren weder sein Hunger noch sein Durst wirklich gestillt und der schlechte Geschmack auf seiner Zunge eher noch schlimmer geworden. Dennoch fühlte
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