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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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uns jemand bei der Flucht beobachtet?«
    »Einer von uns steht Schmiere und der andere geht rein und bereitet den Brand vor.«
    »Falls die Polizei doch plötzlich auftaucht, hat der, der in der Laube ist, die schlechteren Karten. Schließlich muss er ja aus der Bude wieder raus. Das kostet Zeit.«
    Allemeyer seufzte. »Gut. Wir losen. Einverstanden?«
    Glittner nickte wortlos.
    Allemeyer bückte sich und hob einen nassen Ast auf, den er in zwei unterschiedlich lange Teile brach. »Wer den kurzen zieht, legt das Feuer. Lang sichert von draußen. In Ordnung?«, wiederholte er seine Frage. Er streckte seinem Kumpan die Stöckchen entgegen.
    Wie in Zeitlupe griff Glittner nach den Hölzern. Er überlegte einen Moment. Nimm rechts, dachte er. Aber dann entschied er anders und packte das linke Holz. Langsam zog er es aus Allemeyers Faust. Sein Komplize öffnete die geballte Hand und hielt sein Stäbchen neben das zweite.
    Glittner stöhnte auf.
    65
     
    Montag, 23. Oktober 1950
     
    Bereits kurz nach seinem Gespräch mit Bos erhielt Goldstein Nachricht, dass Glittner nicht in Herne gemeldet war. Der Kommissar bat darum, die Anfrage auch an die Einwohnermeldeämter der umliegenden Städte zu richten, war sich jedoch bewusst, dass es ein, zwei Tage dauern könnte, bis er eine Antwort bekam.
    Dann machte er sich auf den Weg zu Konrad Müller ins Krankenhaus.
    Doktor Mantrop empfing den Hauptkommissar im Eingangsbereich der Klinik, um gemeinsam mit ihm auf die Station zu gehen.
    »Müller geht es den Umständen entsprechend gut. Sein Heilungsprozess verläuft zufriedenstellend. Wenn keine Infektion eintritt, wird er in acht bis zehn Tagen über den Berg sein.«
    »Ist er ansprechbar?«
    »Ja. Reden Sie mit ihm. Nur nicht zu lange. Er darf sich nicht überanstrengen.«
    »Natürlich.«
    Sie erreichten eine breite Milchglastür, auf der in großen Lettern Innere Medizin geschrieben stand.
    »Wir sind da. Ich habe ihn in ein Einzelzimmer gelegt. Dort können Sie sich ungestört unterhalten.«
    »Vielen Dank.«
    Der Arzt führte ihn zu einem Krankenzimmer ganz am Ende des Flures, öffnete und ließ Goldstein eintreten.
    Der Raum war winzig. Das Bett stand so, dass der Patient durch das Fenster an der Stirnseite auf die Kronen einiger Bäume schauen konnte.
    Müller schien zu schlafen. Er lag auf dem Rücken, den Kopf auf die Seite gedreht. Am Bett befand sich ein Tropf, dessen Kanüle in Müllers linkem Unterarm endete.
    »Herr Müller?«, sprach Goldstein den jungen Mann leise an.
    Langsam drehte sich der Kopf in Goldsteins Richtung. »Herr Kommissar«, krächzte er.
    Goldstein zog einen Schemel näher ans Bett und nahm Platz. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Es geht. Ich habe Schmerzen beim Atmen. Das wäre normal, meinen die Mediziner. Und mein Hals tut mir weh. Kommt vom Intubieren. Deshalb kann ich auch nicht laut sprechen.«
    »Sie erinnern sich an das, was vorgefallen ist?«
    Müller nickte.
    »Sie sind zu Ihrer Sicherheit in diesem Krankenhaus unter einem anderen Namen gemeldet.«
    »Doktor Mantrop hat es mir gesagt.« Er machte ein ängstliches Gesicht. »Meinen Sie, dass Pauly noch einmal …«
    »Keine Sorge. Außer dem Arzt und mir weiß niemand, dass Sie hier sind.« Und dabei wird es bleiben, schwor er sich. »Fühlen Sie sich in der Lage, einige Fragen zu beantworten?«
    »Ja, sicher.«
    »Gut. Wer ist Pauly?«
    »Ein Richter. Er heißt mit Vornamen Adolf und hat meinen Vater auf dem Gewissen.« Mit stockender Stimme, immer wieder unterbrochen durch einen trockenen Hustenanfall, erzählte Müller von seinem Onkel und wie er Pauly endlich auf die Spur gekommen war. Er schilderte seine Beobachtungen vor dem Gelsenkirchener Hotel, der Beschattung und schließlich seiner Gefangennahme und Flucht. Goldstein machte sich Notizen. Als Müller geendet hatte, wollte der Hauptkommissar wissen: »Wo steht diese Laube genau?«
    »Wenn Sie von der Bochumer Straße den Schrebergarten betreten, ist es der fünfte Garten auf der linken Seite. Die Tür ist rot angestrichen. Sie erkennen sie auf den ersten Blick.«
    »Und Pauly? Können Sie ihn mir beschreiben?«
    Müller versuchte es. Dann setzte er hinzu: »Ach ja, er hinkt, das heißt, er zieht den rechten Fuß nach.«
    Goldstein fiel es wie Schuppen von den Augen. Das konnte kein Zufall mehr sein. Der Zeuge, der ausgesagt hatte, einen hinkenden Mann vor dem Hotel gesehen zu haben. Müller, der Pauly ebenso schilderte. Der Attentäter Krönert, der mit Allemeyer zusammenarbeitete,
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