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Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Titel: Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben
Autoren: Wolfgang Ecke
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Dicki!“
    „Stimmt das eigentlich, daß der Mensch sieben Häute hat, Mister Clifton?“
    „Ich habe keine Ahnung. Schließlich habe ich nicht Medizin studiert. Was soll diese Frage?“
    „Ich meine nur so“, nuschelt Dicki und streift sich widerwillig die Ärmel hoch.
    „O, jetzt geht mir ein Licht auf! Aber die Sorge kann ich dir nehmen, Dicki. Bevor du auch nur eine einzige deiner sieben Häute durch Waschen ruiniert hast, bist du garantiert 125 Jahre alt.“
    „Ich sagte doch, daß ich nur so meine…”
    Perry grinst. „Vergiß das Gesicht nicht — und den Hals! Ich komme gleich wieder. Wenn Lenderson kommt, dann biete ihm einen Stuhl an!“
    „Wo gehen Sie denn hin?“
    „Ich gehe die Bombe vorbereiten, die heute nacht explodieren soll!“
    Mit lautem Knall fällt die Tür hinter ihm zu, und Dicki ruft laut „Au“, denn der Seifenschaum ist ihm von der Stirn in die Augen gelaufen.

    Jamesberry sitzt in seinem Zimmer. Er hat sein kummervoll verzogenes Gesicht in die Hand gestützt und stiert teilnahmslos vor sich hin. Hin und wieder entfährt seiner Brust ein abgrundtiefer Seufzer, und es hat ganz den Anschein, als wälze er schwerwiegende Probleme. Als er draußen auf dem Gang Schritte hört, ergreift er schnell eine Zeitung und schlägt sie auf. Dazu stülpt er seinen Klemmer über die Nase.
    Es klopft.
    „Herein!“ ruft Jamesberry und sieht gespannt zur Tür, die sich in diesem Augenblick öffnet.
    „O, Mi… Mister Clifton“, stotterte er überrascht, „haben Sie einen Wunsch?“
    „Aber nein. Sie sind wohl gerade beim Zeitungslesen?“
    „Jaja“, beeilt sich Jamesberry zu versichern. „Hier steht so ein interessanter Artikel über den Untergang der ,Josefine’ drin, höchst interessant!“
    „Stimmt, Sie waren ja mal Seemann“, lächelt Perry Clifton, geht auf den Tisch zu und dreht die Zeitung um 180 Grad. Dazu sagt er:
    „Ich nehme doch an, daß es Ihnen schwerfällt, eine Zeitung zu lesen, die auf dem Kopf steht.“
    Jamesberry quält sich ein „na so was“ ab und beginnt seinen Klemmer zu putzen.
    Perry läßt sich auf den zweiten Stuhl fallen. Dann knallt er mit der flachen Hand auf den Tisch, daß Jamesberry erschrocken zusammenfährt.
    „Ka… kann ich was tun für Sie, Sir?“ schluckt er, und seine Mundwickel zucken.
    „Ach, wissen Sie, Jamesberry, wenn ich Urlaub mache, habe ich nie Wünsche.“ Und dann senkt Perry Clifton seine Stimme zum Flüstern und beugt sich über den Tisch. „Ich war heute in Edinburgh, Jamesberry. Soll ich Ihnen was sagen? Die Geister haben ihr Leben bald ausgehaucht. Ihre Stunden auf Schloß Catmoor sind gezählt.“
    „Ah… aha…“ Mehr weiß Jamesberry nicht zu sagen. Doch der Schrecken steht ihm deutlich im Gesicht geschrieben.
    „Ich habe Material gesammelt. Es reicht, Jamesberry. Morgen früh werde ich es Sir Douglas übergeben. Der braucht dann nur noch die Polizei zu verständigen.“
    „Material gesammelt?“ Jamesberrys Stimme klingt, als habe ihm jemand gesagt: du wirst morgen früh geteert und gefedert.
    Perry nickt ihm wie einem Verschwörer zu. Plötzlich steht er auf, und mit lauter Stimme erklärt er dem zusammengesunkenen Hausdiener: „Aber deswegen kam ich nicht. Dicki hat mir so viel von Ihrer Vortragskunst vorgeschwärmt, daß ich Sie fragen wollte, ob Sie uns morgen nicht ein bißchen was vorspielen wollen.“
    „Morgen?“
    „Ja, morgen.“
    „Das… das kann ich… ja, das kann ich gern machen. Wann wäre es Ihnen denn recht, Sir?“
    „Sagen wir — nach dem Dinner?“
    „Ja, Sir, nach dem Dinner. Ich werde daran denken!”
    Perry Clifton geht zur Tür. „Noch etwas, Mister Jamesberry! Vor einem Jahr sollten Sie einen toten weißen Raben vergraben. Sie kamen jedoch nicht dazu, weil Ihnen jemand das Tier abnahm. Wer war das, Jamesberry? Wer nahm Ihnen das Tier weg?“
    Jamesberrys Augen beginnen merkwürdig zu glänzen, seine Lippen sind fest aufeinandergepreßt. Clifton wiederholt seine Frage:
    „Wer nahm Ihnen das Tier weg?“
    „Warum — wollen Sie das wissen?“
    Perry Clifton schweigt, doch unverändert ruhen seine Blicke auf Jamesberry.
    „Sir Douglas’ Frau, Lady Kathrin!“ stößt der Gefragte endlich hervor.
    Perry nickt. „Also dann bis morgen.“ Leise zieht er die Tür hinter sich ins Schloß. Trotz allem fühlt sich Perry Clifton nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Jamesberrys gequälter Blick verfolgt ihn.
    Was ist aus dem lustigen, schrulligen Paganini, wie er sich nennt, geworden?
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