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Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Titel: Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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worden. Der Amtsarzt und sein Fotograf allein konnten das nicht gewesen sein. Offenbar hatten sich vor den beiden bereits etliche Bauarbeiter und Polizisten hier unten zu schaffen gemacht.
    An den Wänden reihten sich Nischen aneinander, links und rechts je drei. Sie drang auf dem feuchten Boden tiefer in den Stollen ein, um ein Gespür für ihre Umgebung zu bekommen. Die ursprünglich zugemauerten Nischen lagen jetzt offen da, die Ziegelsteine waren neben den Nischen aufgestapelt. Sie leuchtete ins Dunkel. Überall dasselbe Bild: ein Gewirr aus Schädeln, Knochen, Knorpeln, Haarbüscheln und Kleidungsresten.
    Sie warf einen Blick nach hinten. Pendergast sah sich ebenfallsim Tunnel um. Sein Blick huschte hin und her, als wolle er alles auf einmal in sich aufnehmen. Plötzlich kauerte er sich auf den Boden, starrte konzentriert auf einen Punkt und hob etwas auf. Nora wusste nicht, was er aufgelesen hatte, aber ein Knochen war es mit Sicherheit nicht.
    Als sie das Ende des Stollens erreicht hatte, machte sie kehrt und begann mit der genaueren Inspektion der ersten Nische, um dahinter zu kommen, welche Bewandtnis es mit den hier angesammelten Gebeinen haben mochte. Mit einiger Mühe gelang es ihr, den widerlichen Gestank zu ignorieren.
    In der Nische lagen drei Totenschädel: losgelöst vom übrigen Skelett, also praktisch enthauptet. Der Brustkorb war jedoch bei allen drei Leichen komplett erhalten. Auch die Beinknochen waren offenbar vollzählig vorhanden. Einige Wirbel wiesen ungewöhnliche Beschädigungen auf. Als wären sie aufgeschnitten worden, um das Rückenmark bloßzulegen. Neben einem relativ kleinen Schädel lag ein verfilzter Klumpen Kopfhaar. Kurzhaar, von einem Jungen. Die Leichen waren eindeutig zerstückelt worden, was sich vermutlich aus der Enge in den Nischen erklärte: Es wäre ziemlich umständlich gewesen, die toten Körper ganz hineinzuzwängen.
    Nora schluckte gegen den Würgereiz an und richtete ihr Augenmerk auf die Kleidung. Die war anscheinend wahllos in die Nische geworfen worden, sodass kaum noch auszumachen war, welches Kleidungsstück zu welcher Leiche gehörte. Nora hatte schon die Hand ausgestreckt, doch dann zuckte sie zurück. Bloß nichts anfassen – das galt unter Archäologen als ungeschriebene Regel. Andererseits, Pendergast hatte zur Eile gemahnt. Also überwand sie ihre Scheu, hob die Kleiderreste und die Knochen Stück für Stück an und machte im Geiste Inventur: drei Schädel, drei Paar Schuhe, drei deutlich zu erkennende Brustkörbe, etliche Wirbelknochen und eine Menge kleiner Knochen. Nur einer der Schädel wies ähnliche Spuren auf wie der, den Pendergast ihr im Büro gezeigt hatte. Aufgeschlitzte Wirbel waren dagegeneher die Regel, jeweils vom ersten Lendenwirbel bis zum Kreuzbein. Sie sortierte weiter. Drei Hosen, mehrere Knöpfe, Knorpelstücke, Reste von ausgedorrtem Fleisch, die Knochen von sechs Beinen. Die Schuhe waren den Toten ausgezogen und einfach in die Nische geworfen worden. Wenn ich bloß Probenbeutel hätte!, dachte sie, zupfte ein paar Haare aus einem verfilzten Klumpen, an dem noch die lederartig gegerbte Kopfhaut hing, und steckte sie in die Tasche ihres Kostüms. Es ging ihr gegen den Strich, dass sie so unprofessionell und überhastet vorgehen musste.
    Sie konzentrierte sich auf die Kleidung. Aus billigem, rauem Stoff gefertigt und sehr schmutzig. Verrottet, aber – genau wie die Knochen – offensichtlich nicht von Nagetieren angeknabbert. Sie tastete nach ihrer Lupe und sah sich ein Stück Stoff genauer an. Eine Menge Läuse – tot, natürlich. Die Löcher und Flickstellen ließen ahnen, wie lange die Menschen früher ihre Kleidung getragen hatten. Mit den Schuhen war es genauso, die genagelten Sohlen waren völlig abgewetzt. Sie kramte in den Taschen einer Hose: ein Kamm, ein Stück Schnur. Bei der nächsten waren die Taschen leer, bei der dritten stieß sie auf eine Münze. Als sie sie herauszog, verkrumpelte sich der Stoff auf gespenstisch anmutende Weise. Ein Großer Cent, 1877 geprägt. Hastig stopfte sie alle Fundstücke in die eigenen Taschen.
    Sie ging zur nächsten Nische und machte in aller Eile auch hier Inventur. Das gleiche Ergebnis: drei Schädel, drei zerstückelte Körper, dazu verstreut herumliegende Kleidungsstücke. Wieder suchte sie die Taschen ab. Ein verbogener Nagel, zwei Pennies, der eine von 1880, der andere von 1872. Die Wirbelsäulen wiesen dieselben merkwürdigen Spuren auf wie bei den Skeletten in der ersten Nische.
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