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Pelbar 6 Das Lied der Axt

Pelbar 6 Das Lied der Axt

Titel: Pelbar 6 Das Lied der Axt
Autoren: Paul Williams
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Fluß!«
    Tristal versuchte es wieder. Die Vorstellung bereitete ihm Unbehagen. Endlich sagte er: »Tor, warum hast du nie geheiratet?«
    »Ich bin mit all dem hier verheiratet.« Er schwenkte die linke Hand. »Das befriedigt mich völlig. Und es war immer mein bester Beitrag, so zu sein. Ich werde immer ein Shumai-Axtschwinger bleiben, auch wenn es keine Läuferbanden mehr gibt. Wir Axtschwinger hielten das ganze Shumai-Land zusammen, obwohl wir nur so wenige waren. Wir haben diese Art des Wissens immer praktiziert. Ich verstehe jetzt, in welcher Weise es dem Gebet der Pelbar entspricht. Aber das ist natürlich wieder etwas anderes.«
    »Du meinst, alles hat einen Geist ...?«
    »Nein, nein. So denken die Peshtak, wie ich höre – Geister der Liebe und des Hasses und so. Nein. Sertine, die Vorstellung der Shumai von Gott, war der Verbinder aller Dinge, und wenn es einen Geist gab, dann war es der von Sertine. Wenn du spürst, wie alles singt, dann denkst du nicht an die Dinge selbst.
    Das müßtest du aber, wenn du an Geister dächtest.
    Du denkst hinter die Dinge, an das, was hinter ihnen liegt – an ihren Grund. Ihr Wesen.
    Es fällt mir schwer, das zu erklären, weil es etwas ist, worüber ich nicht so nachgedacht habe wie die Geistlichen der Pelbar. Ich bin nicht zurückgetreten und habe gesagt: So ist es. Unsere Theologie, denn so würden die Pelbar es nennen, ist einfach und nicht in Worte gefaßt.«
    »Der Gedanke, daß die Dinge singen, ist mir unan-genehm, Tor. Es klingt unheimlich, magisch. Es klingt wie das, wovor uns jeder warnt, Dinge auf eine Art erklären zu wollen, die keinen Sinn ergibt.«
    »Du hast einen großen Schluck vom Rationalismus der Pelbar getrunken, und jetzt liegt er dir im Magen wie ein Stein. Aber dieser Rationalismus ist so oft nicht der Ursprung des Wissens, sondern nur ein Mittel, um etwas zu erklären, was schon entschieden ist, weit unten, irgendwo in den Eingeweiden, durch ein völlig irrationales Gefühl.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Stell es dir vor wie Omed, die alte Pelbargeistli-che. Du kennst sie – in ihren Bergen von Gewändern?
    Ich habe sie bei ihrer Tätigkeit beobachtet. Die Menschen sehen, wie sich die Gewänder bewegen. Sie hö-
    ren die geübte Stimme aus den Gewändern hervor-dringen. Sie ist nicht die beste Geistliche der Pelbar.
    Sie hält den Anschein dessen, was sie tut, fälschli-cherweise für das Ganze. Ich habe mich immer damit unterhalten, mir ihren Körper unter den Hüllen vorzustellen – runzlig, gebeugt, mit einem Spitzbauch, völlig erschlafft. Und daher kam der Gesang wirklich – von ihr, nicht von den Hüllen.«
    »Du meinst, häßliche Körper ...«
    »Nein, nein. Die Menschen können nichts für die Körper, die sie bekommen haben. Nur für das, was sie damit anfangen, sind sie verantwortlich. Mehr noch, für das, was die Körper über ihr Wesen verraten. Das, was sie sind, gebraucht den Körper, weil es sonst nichts hat, was es gebrauchen kann. Die Ergebnisse von alledem türmen sich langsam auf und ergeben einen Ausdruck.«
    Tristal dachte darüber nach, strich dabei mit den Händen durch Rarans Fell und ließ die ausfallenden Haarbüschel im leichten Wind davonfliegen. Er schaute auf den verstümmelten, rechten Arm seines Onkels, während er daran dachte. »Warum sagst du mir das?« fragte er schließlich.
    »So sind die Dinge. Aber wichtig ist auch dies: wenn du hörst, wie alles singt, hörst du auch die Gefahr, ehe sie da ist. Du weißt, daß sie kommt. Du hast sie selbst singen gehört. Das ist es, was Stel meine ›Intuition‹ nennt. So einfach ist es natürlich nicht.
    Aber was ich davon am leichtesten vermitteln kann, schließt dieses Zuhören ein.«
    »Gefahr?«
    »Natürlich. Wenn alles sich selbst kundtut, können wir dann nicht den unausgesprochenen Gedanken wahrnehmen?«
    »Aber was ist mit einem überhängenden Fels, der durch Frost gelockert wurde und zum Fall bereit ist?
    Der hat keinen Gedanken.«
    »Ja. Das ist etwas anderes. Das ist ein anderes Problem. Aber selbst da gibt es ein Bewußtsein. Ich verstehe es nicht. Vermutlich bin ich in dieser Beziehung selbst zu rational.«
    »Selbst da? – Das verstehe ich nicht.«
    »Ich auch nicht. Aber es ist so. Steine tun sich ebenfalls kund, weißt du. Auch sie haben ihr inneres Lied.
    Wenn du einen wirfst und er prallt ab, dann hat er – so sagen die Denker der Pelbar – die Anwesenheit des Gegenstandes anerkannt, von dem er abgeprallt ist. Das ist wie Denken. Er macht
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