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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench
Autoren: Boris Akunin
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der Bischof sogleich Feuer und Flamme war, selbst nach Neu-Ararat zu fahren, um die Mönche zur Vernunft zu bringen und dem Treiben Einhalt zu gebieten (er lehnte die Möglichkeit eines echten Mysteriums entschieden ab und erachtete das Erscheinen von Wassilisk entweder als allgemeine Trübung des gesunden Menschenverstands oder aber als Intrige).
    Der umsichtige Matwej Benzionowitsch riet dem Bischof von der Reise ab. Er äußerte sich dahin gehend, dass Gerüchte eine schwer zu bändigende und gefährliche Materie seien. Man brauche viel Mehl, wenn man jedem das Maul stopfen wolle. Administratives Eingreifen zeitige in derartigen Fällen den gleichen Effekt wie Kerosin beim Feuerlöschen – die Flammen würden nur noch heftiger entfacht. Berditschewski machte folgenden Vorschlag: Der Bischof dürfe auf keinen Fall nach Neu-Ararat fahren, er müsse sich vielmehr den Anschein geben, als gehe dort nichts Besonderes vor, währenddessen aber einen besonnenen, feinfühligen Beamten entsenden, der insgeheim die ganze Angelegenheit untersuchen, die Quelle der Gerüchte herausfinden und einen ausführlichen Bericht darüber abliefern könnte. Es war offensichtlich, dass Matwej Benzionowitsch mit dem »besonnenen Beamten« sich selbst meinte und so seine ständige Bereitschaft zeigte, alle laufenden Geschäfte und selbst Familienangelegenheiten hintanzustellen, wenn es seinem geistlichen Lehrer von Nutzen sein mochte.
    Was Pelagia anging, so stimmte sie mit Berditschewski in Bezug auf die Unzweckmäßigkeit einer erzbischöflichen Inspektion überein, doch fand sie es wenig vernünftig, einen weltlichen Mann zur Insel zu senden, der zum einen vielleicht nicht sämtliche Feinheiten des Klosterlebens und der mönchischen Psychologie zu erfassen vermochte und der zweitens . . . Nein, dieses zweite Argument wollen wir besser wortwörtlich anführen, damit es voll und ganz in der Verantwortung der streitbaren Nonne bleibt:
    »In Bezug auf unerklärliche Phänomene und Herzensregungen sind Männer zu geradlinig«, verkündete Pelagia, während sie flink mit ihren Stricknadeln klapperte – nach dem dritten Glas Tee hatte sie den Bischof um Erlaubnis gefragt und ihr Strickzeug hervorgeholt. »Für alles, was ihnen unbedeutend scheint, interessieren sich die Männer nicht, dabei verbirgt sich im Unbedeutenden bisweilen das Wesentliche. Wo es etwas zu erbauen oder besser noch zu zerstören gilt, dort haben Männer nicht ihresgleichen. Wenn man aber Geduld beweisen muss, Verständnis, ja vielleicht auch Mitgefühl, dann sollte man die Angelegenheit besser einer Frau anvertrauen.«
    »Aber eine Frau fällt beim Anblick eines Gespensts sofort in Ohnmacht, oder, schlimmer noch, sie wird hysterisch«, neckte der Bischof die Nonne. »Und damit ist uns nicht geholfen.«
    Pelagia betrachtete ihre schief und krumm geratene Maschenreihe und seufzte, ohne sie aber wieder aufzutrennen – mochte sie bleiben, wie sie war.
    »Eine Frau fällt nie und nimmer in Ohnmacht, und sie wird auch nicht hysterisch, wenn keine Männer in der Nähe sind«, bemerkte sie. »Weibliche Ohnmachtsanfälle, Hysterie und Weinerlichkeit – all das sind männliche Erfindungen. Ihr möchtet gerne glauben, dass wir schwach und hilflos sind, also richten wir uns nach euch. Für diese Angelegenheit wäre es am besten, wenn Ihr, Vater, mir für zwei oder drei Wochen Urlaub bewilligen wolltet. Ich würde nach Kanaan fahren, mich vor den dortigen Heiligtümern verneigen und gleichzeitig nachsehen, was für ein Gespenst dort auf dem Wasser wandelt. In der Schule könnten sich derweil Schwester Apollinaria und Schwester Ambrosia um meine Mädchen kümmern. Die eine würde den Turnunterricht übernehmen, die andere die Literatur, und alles wäre in schönster Ordnung . . .«
    »Daraus wird nichts.« Der Bischof unterbrach die Träumereien seiner geistlichen Tochter mit sichtlicher Befriedigung. »Oder hast du vergessen, Pelagijuschka, dass Nonnen in Ararat der Zutritt verwehrt ist?«
    Damit hatte er der Nonne den Mund verschlossen.
    In der Tat war gemäß der strengen Klosterordnung von Neu-Ararat Nonnen und Klosterschwestern der Zutritt zu den Inseln verboten. Diese alte Regelung bestand seit dreihundert Jahren, kam indes bis heute unnachgiebig zur Anwendung.
    Dies war nicht immer so gewesen. In alter Zeit hatte es neben dem Männerkloster auch ein Frauenkloster gegeben, doch war es aufgrund dieser Nähe zu allerlei Versuchungen und Ausschweifungen gekommen, und als der
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