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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench
Autoren: Boris Akunin
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in die Falle getappt war, die ihm seine listige Gehilfin gestellt hatte, und er drohte ihr mit dem Finger:
    »Ach so, du meinst, er selbst glaubt diesen Unsinn. Er hatte eine Erscheinung, die man wissenschaftlich als Halluzination bezeichnet, und hielt diese für eine wirkliche Begebenheit. Meinst du das?«
    »Nein, Vater«, seufzte die Nonne. »Er ist ein einfacher, vernünftiger Mann, › der keineswegs zu eitlen Träumereien neigt‹, wie es in dem Brief heißt. Menschen wie er haben keine Halluzinationen – dazu haben sie viel zu wenig Fantasie. Ich glaube, ihm ist tatsächlich jemand erschienen, der mit ihm gesprochen hat. Und außerdem hat nicht nur Antipa diesen schwarzen Mönch gesehen, es gibt schließlich noch andere Augenzeugen.«
    Geduld hatte nie zu den Qualitäten des Bischofs gehört, und nach der purpurroten Farbe zu urteilen, die sich über Mitrofanis hohe Stirn und seine Wangen ergoss, war sie nun erschöpft.
    »Und die gegenseitige Beeinflussung, für die es in den Klöstern nicht wenige Beispiele gibt, hast du wohl vergessen?«, entrüstete er sich. »Weißt du noch, wie den Schwestern im Marienkloster der Teufel erschien: zuerst der einen Schwester, dann der anderen und schließlich allen übrigen! Sie haben ihn in allen Einzelheiten beschrieben und Worte wiedergegeben, die eine redliche Nonne nicht kennen kann. Du selbst hast damals geraten, einen Nervenarzt ins Kloster zu schicken!«
    »Das war etwas ganz anderes, ein gewöhnlicher Fall von weiblicher Hysterie. Aber hier bezeugen es erfahrene Mönche«, widersprach die Nonne. »Wenn es Unruhe gibt in Neu-Ararat, dann wird das kein gutes Ende nehmen. Die Gerüchte über den schwarzen Mönch sind schon bis Sawolshsk gedrungen. Man müsste der Sache nachgehen.«
    »Welcher Sache denn?! Du glaubst doch wohl nicht im Ernst an diese Erscheinungen? Schäm dich, Pelagia, das ist Aberglaube! Der heilige Wassilisk hat schon vor achthundert Jahren das Zeitliche gesegnet, er hat keinen Grund, um die Insel zu kreuzen und hirnlose Mönche in Angst und Schrecken zu versetzen!«
    Pelagia verneigte sich demütig, als gebe sie zu, dass der Bischof völlig zu Recht zornig sei, doch ihrer Stimme und vor allem ihren Worten war wenig Demut anzumerken.
    »Aus Ihren Worten spricht männliche Beschränktheit, Eminenz. Männer verlassen sich in ihrem Urteil zu sehr auf das Sehen und zu wenig auf die übrigen fünf Sinne.«
    »Vier.« Mitrofani konnte es nicht unterlassen, sie zu verbessern.
    »Nein, Eminenz, die übrigen fünf. Nicht alles auf der Welt kann man mit Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken erfassen. Es gibt noch einen weiteren Sinn, der keine Bezeichnung hat und uns gegeben ist, damit wir Gottes Welt nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit der Seele fühlen können. Es ist merkwürdig, dass ich, eine an Geist und Verstand schwache Nonne, Ihnen das erklären muss. Haben nicht Sie in Predigten wie im privaten Gespräch viele Male von diesem Sinn gesprochen?«
    »Ich meinte damit den Glauben und das sittliche Maß, das jedem Menschen von Gott gegeben ist! Aber du erzählst mir da von einer Fata Morgana!«
    »Und wenn schon.« Starrsinnig schüttelte die Nonne den Kopf. »Um unsere Welt herum und in ihr existiert noch eine andere, unsichtbare, und vielleicht nicht nur eine. Wir Frauen spüren das besser als Männer, weil wir uns weniger vor Gefühlen fürchten. Sie werden doch nicht abstreiten, Eminenz, dass einem an manchen Orten ganz hell zumute wird (gewöhnlich erbaut man dort Gottes Kirchen), während es einen an anderen Orten kalt überläuft? Es gibt keinen Grund dafür, man beschleunigt einfach den Schritt und bekreuzigt sich obendrein.
    So ging es mir immer am Tschorny Jar, dort überkam mich immer ein Frösteln. Und was war? Genau an der Stelle hat man die Kanone gefunden!«
    Diese Bemerkung, die Pelagia als unwiderlegbares Argument anführte, verlangt eine Erklärung. Bei Tschorny Jar, etwa eine halbe Werst von Sawolshsk entfernt, wurde vor zwei Jahren ein Schatz entdeckt, ein alter Bronzemörser, bis oben hin voll von Dukaten und Edelsteinen, der offenbar seit jenen Zeiten hier in der Erde lag, als Pugatschows »Enaral« Tschika Sarubin durch diese Gegend zog, der von dem Usurpator zum Grafen Tschernyschew gemacht wurde. Gewiss wurden viele Tränen und viel Blut vergossen, um einen solchen Schatz anzuhäufen. (Es sei angemerkt, dass für ebendieses Geld und an ebendieser Stelle jenes großartige Monument errichtet wurde, das Bruder
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