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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench
Autoren: Boris Akunin
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Antipa beinahe zu Tode erschreckt hatte.)
    Doch das Argument mit der Kanone überzeugte den Bischof nicht. Mitrofani schlug die Hände zusammen.
    »Ach, das mit dem Frösteln hast du doch später hinzuerfunden!«
    Und so führten der Bischof und seine geistliche Tochter ihren Disput noch lange fort, bis sie sich beinahe völlig zerstritten. Daher überspringen wir das Ende des Streitgesprächs über den Aberglauben und kommen gleich zu seinem praktischen Abschluss, der nicht mehr im Gerichtsarchiv, sondern bereits in der Residenz des Bischofs, während der feierlichen Teestunde, vollzogen wurde.
    ***
    Zur Teegesellschaft, die am nächsten Tag zu Ehren des glücklichen Ausgangs des Gerichtsprozesses gegeben wurde, hatte der Bischof neben Schwester Pelagia noch einen seiner geistlichen Zöglinge eingeladen, den Stellvertreter des Bezirksstaatsanwalts, Matwej Benzionowitsch Berditschewski, der ebenfalls zum Triumphe der Gerechtigkeit beigetragen hatte. Auf dem Tisch stand neben dem Samowar eine Flasche Cahors-Wein, und Naschwerk war im Überfluss vorhanden: Lebkuchen, kandierte Früchte, allerlei Konfitüren sowie die unvermeidlichen Apfelküchlein mit Baiserhaube, die der Bischof über alles liebte.
    Man saß im Speisesaal, an dessen Wänden Kopien der beiden Lieblingsikonen von Mitrofani hingen: die wundertätige Ikone »Besänftigung der bösen Herzen« und die wenig bekannte Ikone »Judas küsst Christus den Erlöser«, beides großartige Arbeiten mit wertvollen Silberbeschlägen. Der Bischof hatte diese Ikonen nicht einfach so hier aufgehängt, sondern zu einem besonderen Zweck – sie sollten ihn an das Wichtigste im christlichen Glauben erinnern: dass der Herr alles verzeiht und jede Seele, selbst die allerniederträchtigste, annimmt, denn es gibt keine Seele, für die nicht Hoffnung auf Rettung besteht. Der Bischof neigte infolge seines leidenschaftlichen Charakters dazu, das, und besonders das Allverzeihen, zu vergessen, er wusste um diese seine Sünde und strebte danach, sie zu überwinden.
    Man unterhielt sich zunächst über den Prozess, vergegenwärtigte sich seine verschiedenen Wendungen und Wechselfälle und kam dann auf den bevorstehenden Zuwachs in der Familie Berditschewski zu sprechen – der künftige Vater war beunruhigt, weil das Kind sein dreizehntes sein würde, aber der Bischof machte sich über den Juristen lustig. Er sagte: »Ihr Neophyten seid immer die schlimmsten Pessimisten« und tadelte Matwej Benzionowitsch wegen seines Aberglaubens, welcher für einen aufgeklärten Menschen eine Schande sei.
    Von der Bemerkung über den Aberglauben kam man ganz natürlich auf den schwarzen Mönch zu sprechen. Dabei muss angemerkt werden, dass nicht irgendwer, sondern der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt diese geheimnisvolle Erscheinung als Erster erwähnte, obwohl er bei der Aussprache im Gerichtsarchiv gar nicht dabei gewesen war und überhaupt nichts davon wusste.
    Wie sich herausstellte, sprach schon die ganze Stadt über die wilde Kutschfahrt, die der Mönch aus Neu-Ararat am vorigen Tag veranstaltet hatte. Auch über das Erscheinen von Wassilisk sowie über die schlimmen Vorzeichen wusste man bereits Bescheid. Bruder Antipa hatte mit der Peitsche auf die Pferde eingedroschen und dabei nicht nur die Katze von Olimpiada Saweljewna Schestago, einer einflussreichen Sawolshsker Bürgerin, überfahren, sondern obendrein allerlei alarmierende Worte geschrien – »Rettet euch, ihr Rechtgläubigen!«, »Wassilisk naht!« und dergleichen mehr – und zu erfahren verlangt, wo er den Bischof finden könne.
    Es erwies sich, dass Schwester Pelagia Recht gehabt hatte: Man musste etwas unternehmen. Das bestritt der Bischof, der nach der gestrigen Aufregung nun wieder einen kühlen Kopf hatte, auch gar nicht mehr, doch bezüglich der zu ergreifenden Maßnahmen herrschte unter den Teilnehmern des Gastmahls Uneinigkeit.
    Mitrofani, der seine zahlreichen Erfolge als oberster Seelenhirte dem Herrn zuschrieb, sich selbst voller Demut nur als sichtbares Werkzeug einer unsichtbar wirkenden Kraft ansah und in seinen Worten ein vollkommener Fatalist war, pflegte gerne zu sagen: »Wenn es Gott gefällt, wird es unfehlbar geschehen, und wenn es Gott nicht gefällt, bedarf ich dessen nicht.« In seinen Taten aber ließ er sich mehr von der Maxime »Vertraue auf Gott, aber sei auf der Hut« leiten, und man muss sagen, er war meist auf der Hut und belastete den Herrn nicht mit überflüssigen Sorgen.
    Keine Frage also, dass
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