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Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe
Autoren: Norbert Scheuer
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musste ich im Supermarkt arbeiten. Obwohl es schon spät war, erledigte ich meine Arbeit. Danach setzte ich mich in der Cafeteria an meinen kleinen Fenstertisch. Eine der Verkäuferinnen brachte mir Kaffee, Käse- und Schinkenbrötchen mit Salat und Remoulade. Einige Leute eilten noch kurz vor Ladenschluss in den Markt, um für das Abendessen einzukaufen. Ich wunderte mich, dass ich mit meinem halben Gehirn so viel mitbekam von der Welt, auch wenn meine Welt klein wie eine Nussschale war, aber was macht das schon, wenn es einen nicht stört, und mich hat es nie gestört. Als der Chef mich entdeckte, kam er zu mir und wir tranken zusammen Kaffee. Er fragte, ob ich wie üblich wieder beim Kartoffelverkauf helfen würde. Der Anhänger mit den Kartoffeln stand bereits am Zaun vor den Gleisen. Die Verkaufsaktion begann am nächsten Tag. Als dem Chef auffiel, dass Socke nicht bei mir war, und ich ihm sagte, er sei tot, tröstete er mich.
    An diesem Abend war wenig Betrieb in der Gaststätte. Evros hatte nichts für mich zu tun, daher legte ich mich sofort schlafen, träumte vom Archäologen. Spät in der Nacht wachte ich auf, hörte, wie Strohwang seine knarrende Zündapp antrat und davonfuhr.
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    Auf der Fahrt nach Damaskus schlittert der Geländewagen des Archäologen von der Piste. Eine Blattfeder an der Vorderachse ist gebrochen. Er bockt den Wagen auf, kriecht unter die Achse, beginnt mit der Reparatur, wobei die Achse vom Wagenheber rutscht und seinen Kopf verletzt. Als er nach Tagen zu sich kommt, liegt er in einer Lehmhütte, sein Kopf ist mit schmutzigen Mullbinden umwickelt. Kinder spielen in der Abenddämmerung auf einer Dorfstraße. Ihre Stimmen sind hell und schrill wie das Pfeifen der Mauersegler. Er erinnert sich an nichts mehr, weder woher er kommt, noch wo er sich befindet, er fiebert und schläft ein, eine Decke eng um sich gewickelt. Er träumt von dem sagenhaften hundsköpfigen Volk, von dem Herodot berichtet hatte –Träume von Revolutionen, von einer anderen Welt, von der man nicht weiß, ob man sie sich wirklich wünschen soll. Draußen klettern Kinder auf die Fahrerkabine seines Wagens. Sie hüpfen auf dem Dach herum, schreien und halten Gewehre in den Händen. Im Gepäckraum befindet sich ein Koffer mit Dingen, die er gefunden hat: römische Münzen, Scherben, Terra Sigillata aus den nordafrikanischen Provinzen, aus Africa proconsularis, Tonscherben, die aus der tausende Kilometer entfernten rheinischen Provinz stammen, kleine Bronzefiguren, Merkur mit Flügeln am Hut, Triton mit Dreizack und Muschelhorn, gewöhnliche Steine, seine Aufzeichnungen, die Koordinaten einer antiken römischen Heerstraße.
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    â€¦
    Annie hatte das Radio eingeschaltet. Im Abendprogramm spielte Klaviermusik. Sie trug Peehs walnussfarbenes Sommerkleid mit den weißen Punkten. Es hatte im Koffer des Archäologen gelegen, wo Rosarius es wahrscheinlich versteckt hatte.
    Daß die Liebe, so lange wir leben, nicht erstirbt,
murmelte Rosarius. Er hatte Annie vieles aus seinem Leben erzählt, sie hatte manches aufgeschrieben, aber das meiste würde sie in ihrer Erinnerung aufbewahren. Rosarius berührte sie an der Taille, legte sein Ohr an ihren Bauch, seine Fingerkuppen streichelten über ihre Haut, bewegten sich von ihren Waden hinauf in ihren Schritt.
    Sie lag neben ihm im Dunkel, und seine Hände wanderten über ihre Haut, er flüsterte wieder Straßennamen und Wege, nannte sie Peeh. Annie stellte sich vor, wie Rosarius gewesen war, wie es wäre, seine Peeh zu sein, sie wollte in dieser Nacht Peeh sein.
    Regen schlug gegen den geöffneten Fensterflügel, Tropfen zerplatzten, sie spürte Partikel ihrer Nässe im Gesicht, am Hals, auf ihrer Brust. Sie spürte Rosarius. Als sie wach wurde, war es früher Morgen, und Rosarius schlief neben ihr.
    Â 
    A m nächsten Morgen räumte ich mit Evros zusammen in der Gaststätte die Tische ab, spülte Biergläser, leerte die Abfalleimer und brachte die Küche in Ordnung. Danach gingen wir wie immer zum Frühstücken in die Cafeteria des Supermarktes. Wir saßen unter der Markise. Glitzernde Witwenfäden schwebten über dem Parkplatz. Ich fühlte mich wie eine winzige Spinne, die am Ende eines solchen Fadens durch die Luft schaukelte. Zwei Anhänger mit Kartoffelsäcken standen am Zaun vor den Bahngleisen. Nachdem ich mit Evros
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