Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe
Autoren: Norbert Scheuer
Vom Netzwerk:
die Gaststätte auf. Evros legte dann manchmal griechische Musik auf und tanzte dazu. Wenn alles fertig war, gingen wir nach oben. Socke legte sich neben mein Bett, dorthin, wo auch meine Kleider lagen, rollte sich zusammen, bettete die Schnauze auf meine Schuhe, seufzte und schlief bald tief. Ich wachte auf, wenn Socke morgens meine Hand leckte. Evros wartete dann meistens schon in der Cafeteria. Wir frühstückten jeden Tag außer Sonntag in der Cafeteria des Supermarktes. Morgens kam ohnehin niemand in die Gaststätte, so war es angebracht, erst am späten Nachmittag aufzuschließen. Es war schön, in der Morgensonne unter der Markise vor der Cafeteria zu sitzen und zu den Sandsteinfelsen hinter den Bahngleisen zu blicken. Evros sagte, er komme sich vor wie aufseiner griechischen Insel, das Licht sei genauso klar und sanft wie in seiner Heimat, es durchdringe alle Dinge, glitzere wie Sonnenschein auf blauem Ägäischen Meer. Er könne mich jetzt endlich verstehen. Er nannte Kall nun scherzhaft Kallaurea. Vor dem Markt lagen Plastiksäcke mit Blumenerde, stapelten sich Gartenstühle, stand eine Gitterbox mit Plastikfußbällen. In den heranfahrenden Autos saßen hübsche Frauen, die zum Einkaufen kamen. Manchmal dachte ich, wenn eine Frau auf den Einkaufsmarkt zulief, Peeh würde zurückkehren, aber ihr Bild verblasste, je näher die Frau kam. Ich fürchtete, sie nicht mehr wiederzuerkennen.
    Evros ging am späten Vormittag zur Gaststätte zurück, weil Bierfässer angeliefert wurden. Socke lag unter dem Tisch im Schatten. Ich holte mir noch einen Kaffee und überlegte, ob ich wieder mit Karl Höger durch die Welt fahren sollte. Da sah ich ein Auto heranfahren und parken. Der junge Mann, der aus dem Auto stieg, ging zur Cafeteria. An der Bäckereitheke erkundigte er sich wohl bei einer Verkäuferin nach mir, er kam nach draußen und fragte höflich, ob er sich zu mir setzen dürfe. Er stellte sich als Peehs Sohn vor. Ich konnte vor Aufregung nichts sagen, blickte den jungen Mann nur an. Socke schnüffelte an seinen Beinen. Er ließ sich von ihm streicheln, was er sonst von Fremden kaum duldete. Paul konnte mir nicht viel von Peeh erzählen. Er hatte sie selbst seit Jahren nicht gesehen, wusste nicht einmal, ob sie noch lebte. Ich glaube, es interessierte ihn auch nicht. Paul war bei seinem Stiefvater aufgewachsen, hatteeine gute Anstellung und wollte bald heiraten. Er zeigte mir eine Fotografie seiner zukünftigen Frau, die mich unbedingt zu ihrer Hochzeit einladen wollte. Ein paar Monate später erhielt ich eine Einladung. Im Brief steckten eine Fahrkarte und ein Prospekt von dem Hotel, in dem die Hochzeitsfeier stattfinden sollte. Sogar ein Zimmer hatte Pauls Frau für mich reserviert. Sie schrieb, sie hätte nichts von Peeh gehört, aber sie würde sich freuen, wenn wenigstens ich zur Hochzeit kommen würde. Evros schickte mich vor meiner Abreise zum Friseur. Delamot war vorsichtig geworden. Er rasierte mir schon lange keine Glatze mehr, weil er befürchtete, ich würde dann erzählen, was er mit den Haaren seiner Kunden anstellte.
    Evros brachte mich am nächsten Morgen zum Bahnhof und wartete, bis der Zug abfuhr. Ich stieg aber in Scheven hinter dem Tunnel wieder aus und lief zurück. Ich hörte nie wieder etwas von Paul und seiner Familie.
    â€¦
    Annie saß in ihrer kleinen Wohnung am Küchentisch. Sie hatte sich nach dem Nachtdienst Tee gekocht und sich hingesetzt, um zu schreiben. Als sie aus dem Fenster blickte, stand Bellarmin am Bahnsteig, der Zug fuhr ein, er warf seinen Rucksack über die Schulter, nahm sein Gepäck und stieg in den Zug. Annie weinte, weil sie wusste, Bellarmin war für sie nun für immer verloren. Er wollte sein Studium fortsetzen, das Sommersemester begann in einer Woche.
    Sie hatten sich bereits verabschiedet, eine ganze Nacht in seinem Zimmer in der Remise.
    Die Erinnerung an Bellarmin würde Annie wie eine leise, unaufdringliche Melodie immer begleiten, wie kaum vernehmbares Summen, das niemals aufhörte.
    Â 
    W ir kamen im Spätsommer 1998 gerade an «Kleinasien» vorbei, so nannte Karl Höger ein kleines Dorf auf unserer Route, da spürte ich, dass Socke nicht mehr atmete. Ich wollte es nicht wahrhaben, tat einfach, als wäre nichts geschehen. Wir umrundeten die ganze Erde, waren im bolivianischen Urwald, wo große Schneisen in den Regenwald
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher