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Pauline Reage - Geschichte der O

Pauline Reage - Geschichte der O

Titel: Pauline Reage - Geschichte der O
Autoren: Administrator
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wollen?
    O spürte nichts mehr, nur das Halsband, die Armreifen und die Kette, ihr Körper trieb dem Nichts entgegen, sie war dem Verstehen nahe.
    Sie schlief ein.
    In den letzten Stunden der Nacht, wenn sie am dunkelsten und kältesten ist, kurz vor Sonnenaufgang, erschien Pierre wieder. Er knipste das Licht im Badezimmer an und ließ die Tür offen, so daß ein helles Viereck auf die Mitte des Bettes fiel, dort, wo O’s schlanker und zusammengerollter Körper ein wenig die Decke bauschte, die er leise zurückschlug.
    Da O auf der linken Seite lag, mit dem Gesicht zum Fenster und leicht anzogenen Knien, bot sich seinem Blick ihre sehr weiße Kruppe auf dem schwarzen Pelz.
    Er zog das Kissen unter ihrem Kopf weg und sagte höflich: »Würden Sie bitte aufstehen« - und als sie sich an der Kette auf die Knie hochgezogen hatte, half er ihr, indem er sie an den Ellbogen stützte, bis sie aufrecht und mit dem Rücken zu ihm an der Wand stand.
    Im Lichtschein, den das schwarze Bett nur schwach reflektierte, war ihr Körper sichtbar, nicht zu sehen jedoch waren die Gesten des Mannes. Sie erriet, sie sah nicht, daß er die Kette aushakte, um sie an einem anderen Kettenglied einzuhängen, bis sie wieder straff war und O spürte, wie sie sich spannte. Ihre nackten Füße standen mit ganzer Sohle auf dem Bett.
    O sah auch nicht, daß Pierre in seinem Gürtel nicht nur die Lederpeitsche trug, sondern den schwarzen Reitstock, mit dem man sie nur zweimal und ziemlich leicht geschlagen hatte, als sie am Pfosten standen war. Pierres linke Hand preßte sich gegen ihre Taille, die Matratze gab ein wenig nach, weil es den rechten Fuß daraufgesetzt hatte, um festen Stand zu fassen.
    Im gleichen Augenblick, als sie etwas durch die Dunkelheit pfeifen hörte, fühlte O ein furchtbares Brennen quer über die Lenden und brüllte auf.
    Pierre prügelte sie mit aller Kraft. Er wartete nicht, bis sie zu schreien aufgehört hatte und schlug noch viermal zu, wobei er darauf achtete, jeden neuen Hieb ein wenig über oder unter dem vorhergehenden zu plazieren, damit die Striemen ordentlich würden. Als er aufgehört hatte, schrie sie noch immer und die Tränen liefen ihr in den aufgerissenen Mund.
    »Würden Sie sich bitte umdrehen«, sagte er, und da sie in ihrer Verzweiflung nicht sogleich gehorchte, packte er sie um die Hüften, ohne den Reitstock loszulassen, der ihre Taille streifte.
    Als sie mit dem Gesicht zu ihm stand, trat er einen Schritt zurück, ließ dann mit aller Kraft den Reitstock auf die Vorderseite ihrer Schenkel sausen. Das Ganze hatte fünf Minuten gedauert.
    Als er hinausging, nachdem er das Licht wieder gelöscht und die Tür zum Badezimmer geschlossen hatte, schwankte O stöhnend an ihrer Kette im Dunkeln an der Wand hin und her.
    Bis sie still wurde und regungslos an der Wand lehnte, deren Perkalintapete kühl an ihrer zerfetzten Haut lag, war auch der Tag schon erwacht.
    Das große Fenster, dem sie zugewandt stand, ging nach Osten und reichte von der Decke bis zum Boden; es hatte keine Vorhänge, nur der gleiche rote Soff, der die Wände bedeckte, rahmte es zu beiden Seiten und brach sich in steifen Falten in den Gardinenhaltern.
    O sah ein blasses Morgenlicht heraufziehen, das seine Nebelschleier über die Asternstauden draußen unter dem Fenster zog und schließlich eine Pappel erkennen ließ. Gelbliche Blätter fielen von Zeit zu Zeit kreisend zu Boden, obwohl sich kein Windhauch regte.
    Vor dem Fenster, hinter dem malvenfarbenen Asternbeet, lag eine Rasenfläche, am Ende des Rasens sah man eine Allee. Es war jetzt heller Tag und schon lange machte O keine Bewegung mehr. Ein Gärtner erschien in der Allee, er schob eine Karre vor sich her. Man hörte das Eisenrad auf dem Kies knirschen. Wenn er herangekommen wäre, um die welken Blätter vor den Astern aufzukehren, dann hätte er - so groß das Fenster und so klein und hell das Zimmer - O nackt an ihrer Kette und mit den Spuren des Reitstocks auf den Schenkeln sehen können.
    Die Wundränder waren angeschwollen und bildeten dicke Wülste, dunkler als das Rot der Wände.
    Wo schlief ihr Geliebter, der so gern am stillen Morgen schlief!
    In welchem Zimmer, in welchem Bett?
    Wußte er, welcher Marter er sie ausgesetzt hatte?
    Hatte er selbst sie anbefohlen?
    O dachte an die Gefangenen, wie man sie auf den Kupferstichen alter Geschichtsbücher sieht, diese Gefangenen, die vor so vielen Jahren oder Jahrhunderten ebenfalls angekettet und ausgepeitscht worden waren und
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