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Pauline Reage - Geschichte der O

Pauline Reage - Geschichte der O

Titel: Pauline Reage - Geschichte der O
Autoren: Administrator
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jetzt tot waren.
    Sie wünschte sich nicht den Tod, aber wenn die Marter der Preis war, den sie entrichten mußte, damit ihr Geliebter sie auch in Zukunft lieben würde, so wünschte sie sich nur, es möge ihm eine Befriedigung sein, daß sie diese Marter erlitten hatte, und sie wartete, ganz sanft und still, bis man sie ihm wieder zuführen würde.
    Keine der Frauen hatte Schlüssel, weder zu den Türen noch für die Ketten, Armreife oder Halsbänder, aber alle Männer trugen an einem Ring die dreierlei Schlüssel, die jeweils alle Türen öffneten, alle Schnappschlösser, alle Halsbänder.
    Die Diener hatten diese Schlüssel ebenfalls.
    Aber am Morgen schliefen die Diener, die während der Nacht Dienst gehabt hatten, und einer der Gebieter oder ein anderer Diener kam und öffnete die Schlösser.
    Der Mann, der O’s Zelle betrat, trug eine Lederjacke, Reithosen und hohe Stiefel. Sie erkannte ihn nicht. Er machte zuerst die Kette von der Mauer los und O konnte sich aufs Bett legen. Ehe er ihr die Hände losband, ließ er seine Hand zwischen ihren Schenkeln durchgleiten, wie es der maskierte und behandschuhte Mann getan hatte, den sie als ersten in dem kleinen, roten Salon gesehen hatte.
    Vielleicht war es der gleiche.
    Er hatte ein knochiges, hageres Gesicht, den starren Blick, den man auf den Porträts der alten Hugenotten sieht, und sein Haar war grau.
    O hielt seinen Blick eine Weile aus, die ihr unendlich erschien, und erstarrte plötzlich, als sie sich erinnerte, daß es verboten war, die Gebieter oberhalb des Gürtels anzusehen. Sie schloß die Augen, jedoch zu spät, und hörte ihn lachen und sagen:
    »Notieren Sie eine Züchtigung nach dem Abendessen.« Er sprach zu Andre und Jeanne, die mit ihm hereingekommen waren und wartend zu beiden Seiten des Bettes standen. Darauf verschwand er.
    Andre hob das Kopfkissen vom Boden auf und die Decke, die Pierre ans Bettende zurückgeschlagen hatte, als er gekommen war, um O auszupeitschen.
    Jeanne zog ein Rolltisch heran, der auf dem Korridor bereitstand und mit Kaffee, Milch, Zucker, Brot, Butter und Hörnchen gedeckt war. »Essen Sie schnell«, sagte Andre, »es ist neun Uhr, danach können Sie bis Mittag schlafen, und wenn Sie die Glocke hören, müssen Sie sich zum Essen fertigmachen. Sie müssen sich baden und frisieren und ich werde kommen, um Sie zu schminken und Ihnen das Korsett zu schnüren.«
    »Sie werden erst am Nachmittag Dienst haben«, sagte Jeanne, »in der Bibliothek: den Kaffee servieren, die Liköre, und das Feuer unterhalten.«
    »Und Sie?« fragte O. -»Ach, wir müssen uns während der ersten vierundzwanzig Stunden Ihres Aufenthaltes um Sie kümmern, danach werden Sie allein sein und nur noch mit Männern zusammenkommen. Wir werden nicht mehr mit Ihnen sprechen dürfen und Sie nicht mit uns.«
    »Bleiben Sie«, sagte O, »bleiben Sie noch und sagen Sie mir . . .« aber sie konnte nicht zu Ende sprechen, die Tür ging auf. Es war ihr Geliebter, und er war nicht allein.
    Es war ihr Geliebter, gekleidet wie immer nach dem Aufstehen, wenn er sich die erste Zigarette anzündete: im gestreiften Pyjama und Morgenrock aus blauem Wollstoff, dem Morgenrock mit den Revers aus gesteppter Seide, den sie vor einem Jahr gemeinsam ausgesucht hatten. Seine Pantoffel waren abgetreten, er mußte sich neue kaufen.
    Die beiden Frauen verschwanden ohne einen Laut, man hörte nur das Knistern der Seide, als sie die Röcke rafften (alle Röcke schleppten ein wenig nach), auf dem Teppich machten die Pantöffelchen kein Geräusch.
    O, die in der linken Hand eine Tasse Kaffee hielt und in der anderen ein Hörnchen und halb im Schneidersitz an der Bettkante hockte, ein Bein baumelnd, das andere untergeschlagen, blieb regungslos sitzen, die Tasse zitterte plötzlich in ihrer Hand und das Hörnchen fiel zu Boden.
    »Heb es auf«, sagte Rene.
    Das war sein erstes Wort.
    Sie stellte die Tasse auf den Tisch, hob das angebrochene Hörnchen auf und legte es neben die Tasse. Ein großer Krümel war auf dem Teppich liegengeblieben, neben ihrem nackten Fuß. Rene bückte sich selber und hob ihn auf.
    Dann setzte er sich neben O, beugte sie zurück und küßte sie. Sie fragte ihn, ob er sie liebe. Er antwortete: »Ah! Ich liebe dich!« dann stand er auf und ließ auch O aufstehen, strich zart mit den kühlen Handflächen, dann mit den Lippen an den Wundrändern entlang.
    O wußte nicht, ob sie den Mann ansehen dürfe, der mit Rene gekommen war und jetzt mit dem Rücken zu ihnen an der
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