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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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sich in letzter Zeit so beharrlich gegen meine Aufträge sträuben. Wir bezahlen gut und pünktlich, wie Sie wissen.«
    Paul mied den Blickkontakt mit Blohfeld, um nicht in Versuchung zu geraten, ihm über den Mund zu fahren.
    »Ich sag es Ihnen: Weil ich durch Sie und Ihre Aufträge permanent in Schwierigkeiten gerate. Denken Sie nur an die Sache mit diesem Dürer-Bild oder den Fall mit den Bratwürsten.«
    »Das ist doch alles Schnee von gestern«, tat Blohfeld das Gesagte ab. »Zugegeben: Das waren beides harte Nüsse. Aber letztendlich haben wir sie geknackt, und Sie konnten Ihre Exklusivfotos bundesweit mit einem satten Gewinn an den Mann bringen.«
    Paul sah den Reporter ernst an, forschte aber ergebnislos in dessen Mimik und senkte dann abermals den Blick. Zu seinen Füßen lag ein besonders prächtiges Exemplar eines Spiegelkarpfens, der gerade sein Leben mit langsamem Öffnen und Schließen seines Mauls aushauchte. Paul sah in die erloschenen Augen des Fisches und sagte: »Ich habe wirklich genug von Abenteuern dieser Art. Ich schätze Ihr Honorar – aber mehr noch schätze ich mein ruhiges Leben und meine Gesundheit. Sie als Polizeireporter mögen es gewohnt sein, auf Tuchfühlung mit Verbrechern zu gehen, aber ich ziehe es vor, mein Geld auf weniger lebensbedrohliche Art zu verdienen.«
    »Warum halten Sie sich dann in der Nähe von gemeingefährlichen Karpfenbecken auf und wählen nicht gleich einen Bürojob mit Stempeluhr und Ärmelschonern?«, fragte Blohfeld mit beißendem Spott. »Meine Güte, Flemming, was sind Sie doch für ein bodenständiger Spießer geworden!«
    »Ein bisschen mehr Bodenständigkeit würde mir tatsächlich gut tun – und Ihnen übrigens auch«, gab Paul zurück.
    Verblüffenderweise nahm Blohfelds Ausdruck sanfte Züge an: »Wenn das so ist, ist mein neuer Auftrag genau das Richtige für Sie: Staubtrocken, ein wenig altbacken sogar – und garantiert ungefährlich. Denn das Verbrechen, um das es dieses Mal geht, liegt schon Jahrhunderte zurück. Das Problem dabei ist nur, dass ich einen exzellenten Fotografen wie Sie brauche, um der faden Geschichte wenigstens ein paar inspirierende Bilder abzutrotzen.«
    Paul schmunzelte über Blohfelds durchschaubare Überzeugungsversuche. Die alte Methode: mit Zuckerbrot und Peitsche, nur in umgekehrter Reihenfolge. »Um wen oder was geht es denn?«, erkundigte sich Paul, nun doch neugierig.
    »Na also«, sagte Blohfeld mit gewinnendem Lächeln. »Es geht um Kaspar Hauser.«
    Dieser Name ließ Paul mit gewisser Ernüchterung aufatmen. Hauser gehörte zu Franken wie die Bratwurst, das Bier und der Wein. Jedes Schulkind kannte die tragische Geschichte des ebenso verirrten wie verwirrten Waisenknaben. Paul war sie schon in seinen frühesten Jahren eingetrichtert worden. Das Thema war ebenso bekannt wie ausgeschlachtet. Doch Paul wusste auch, dass Zeitungen, die den historischen Fall Hauser aufgriffen, erstaunlicherweise noch immer jedes Mal weggingen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln.
    »Was wissen Sie über Hauser?«, fragte Blohfeld und dirigierte Paul an der Schulter sanft aus dem Karpfenfriedhof in Richtung des nahen Parkplatzes.
    »Das, was halt jeder über ihn weiß: An einem Pfingstmontag, irgendwann um 1800,. . .«
    »1828«, korrigierte ihn Blohfeld.
    »Meinetwegen auch das. Auf jeden Fall tauchte der jugendliche Kaspar Hauser zu diesem Zeitpunkt mitten in Nürnberg auf. Sein Entwicklungsstadium war das eines Kleinkindes. Nachdem er mehrmals hin – und hergereicht worden war, landete er schließlich in Ansbach, wo er einige Jahre später im Hofgarten ermordet wurde. Angeblich war Hauser ein unerwünschter Spross aus Adelskreisen und damit Opfer eines höfischen Intrigenspiels geworden. Gentechnische Analysen seiner blutverschmierten Kleidung haben das jedoch nie überzeugend belegen können.«
    »Nicht schlecht für den Anfang«, sagte Blohfeld gönnerhaft. »Aber Hausers Geschichte – so abgedroschen sie auch erscheinen mag – hat weitaus mehr zu bieten. Was wissen Sie zum Beispiel über die anderen Attentate, die in Nürnberg auf Hauser verübt wurden? Oder von den verschwundenen Dokumenten, mit denen seine adlige Abstammung angeblich nachzuweisen gewesen wäre?«
    Paul zuckte entnervt mit den Schultern. Inzwischen hatten sie den Parkplatz erreicht. Blohfeld hatte seinen schweren Geländewagen unmittelbar neben Pauls Renault abgestellt. Aus seiner Jackett-Tasche zog er einen Zettel. »Ich habe hier die Adresse eines
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