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Patrick: Eine finstere Erzählung

Patrick: Eine finstere Erzählung

Titel: Patrick: Eine finstere Erzählung
Autoren: Christian Sidjani
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verfolgen, müssen Sie mir erklären, wer dieser Mann war und was er von Ihnen wollte.“
    „Haben Sie eine Zigarette?“ fragt er, „Meine sind zerdrückt worden.“
    „Sicher.“ Frau Merlinger streckt ihm eine offene Schachtel entgegen. Als er die Zigarette zwischen den Lippen hat, weiß er, dass alles gut wird. Sie gibt ihm Feuer. Nachdem er das Gift mehrere Male ein- und wieder ausgeatmet hat, erzählt er, so wie es jeder Schriftsteller tun würde. Als wäre das, was er zu sagen hat, nicht seine eigene Geschichte.
    „Ich weiß nicht, wie der Mann heißt, ich weiß aber, von wem er geschickt wurde. Von einem Mann namens Maracz. Ein Kredithai, wie man so schön sagt. Ich schulde ihm Geld.“
    „Wie viel“, fragt Frau Merlinger.
    „Das ist es ja. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wie viel es wirklich ist. Ich weiß nur, welche Summe er einfordert.“
    „Und wie viel ist das?“
    „50.000 Euro.“
    Frau Merliner blickt von ihrem Bildschirm auf. Sie hatte jedes Wort bisher in ihrem Computer notiert. „Das ist verdammt viel, Herr Friedrichs. Wenn das ein normaler Kredit wäre, würde ich Ihnen raten einen Schuldenberater aufzusuchen. Aber ein Kredithai? Wie ist es dazu gekommen?“
    Michael drückt die Zigarette in einen Aschenbecher.
    „Ich spiele“, sagt er. Zwei Worte, die eine Sucht zusammenfassen, der er schon seit Jahren verfallen ist. Zwei Worte, die auf vielerlei Arten interpretiert werden können.
    „Ich verstehe“, antwortet Frau Merlinger.
    „Sind wir jetzt fertig?“
    Frau Merlinger nickt, tippt aber noch weiter auf ihrer Tastatur.
    „Kann ich meinen Aktenkoffer zurück haben?“
    Wieder blickt sie von ihrem Bildschirm auf, schüttelt den Kopf.
    „Den müssen wir leider hier behalten. Er gilt als Beweisstück für den Unfall. Er war schließlich der Grund, warum Sie überhaupt am Hauptbahnhof zu den Schließfächern gegangen sind. Sie werden ihn wieder bekommen, sobald das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist.“
    „Gerichtsverfahren?“
    „Keine Sorge, sie werden nicht angeklagt. Reine Routine. Trotzdem muss ich Sie bitten, die Stadt vorläufig nicht zu verlassen. Und mein persönlicher Rat, Herr Friedrichs: Solange Sie das Geld nicht haben, um diesen Herrn Maracz zu bezahlen, sollten Sie so wenig wie möglich unterwegs sein. Wie haben hier schon einige Opfer von Krediteintreibern gehabt. Kein schöner Anblick, sage ich Ihnen.“
    „Danke. Kann ich jetzt gehen?“
    „Sie sind ein freier Mann, Herr Friedrichs.“
    Als er das Polizeigebäude verlässt, wendet er sich nach links, biegt in die nächste Straße und kauft sich in einem Tabakladen wieder diese teure Zigarettenmarke. An der frischen Luft zündet er sich eine an, der Regen hat aufgehört, und geht weiter. Auf der Straße hat ein Wagen einen Fehlstart, es knallt. Mehrmals. Michael möchte zur nächsten Bahnstation, vielleicht findet er irgendwo einen Bäcker, er hat Hunger. Später will er sich in einer Videothek Filme ausleihen. Ja, das hat er lange nicht gemacht. Er sollte Patrizia einladen, sie dafür bezahlen, dass sie mit ihm einen Film guckt, vielleicht macht sie es auch umsonst. Er geht wenige Schritte, bis ein heftiger Schmerz vom Magen in seine Brust reist, ihn auf die Knie zwingt. Er keucht. Passanten hasten an ihm vorbei als sei er betrunken. Der Asphalt ist feucht und kalt, es nässt durch seine Jeans. Wieder knallt es, seine Schulter reißt nach vorn. Er will sich mit den Händen abstützten, aber sein rechter Arm gehorcht ihm nicht, er krümmt sich, sein Inneres ein Schmelztiegel des Schmerzes. Ihm ist übel, Tränen steigen ihm in die Augen. Mit einer Hand fasst er an seinen Bauch, dort wo es brennt als hätte er sich ein Bügeleisen an das nackte Fleisch gepresst. Vor seinem verschwimmenden Blick sieht er eine dunkle Flüssigkeit, die ihm durch die Finger sickert. Ein letzter Knall, Michaels Kopf prallt auf den Stein. Ich habe mein Buch nicht zu Ende geschrieben, denkt er, hoffentlich verlängert der Verlag die Abgabefrist. Ich brauche das Geld... 
     

Die mumifizierte Katze
     

Nach meinem Studium der Soziologie im Jahre 2010 nahm ich mir ein paar Monate Auszeit, um in Deutschland zu reisen. Zwei Jahre zuvor schon hatte ich „Schließfach 644“ geschrieben und die ersten Fragmente zu „Patrick“ verfasst, weil mich die Nebenfigur Patrizia einfach nicht losließ. Aber ich beendete diese Geschichte nicht bis vor ein paar Wochen. Auf der Suche nach einem geeigneten Foto für das Cover des Ebooks (ich benutze
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