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Patrick: Eine finstere Erzählung

Patrick: Eine finstere Erzählung

Titel: Patrick: Eine finstere Erzählung
Autoren: Christian Sidjani
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Tätigkeiten noch im Haus herum, jedes Zimmer eine Baustelle, in einigen diente nur Sand als Bodenbeschichtung. Die Fensterrahmen waren teilweise zu klein für die vorgesehenen Löcher, sodass unter ihnen noch ein Spalt frei geblieben war. Alte Tapeten und Kacheln an den Wänden, Dreck in jedem Zimmer. Eine Baustelle eben, und ich liebte es. Besonders gefiel mir der Wasserhahn, der der Eingangstür gegenüber war. Ich taufte ihn Brunnen, weil er das einzig klare und damit trinkbare Wasser an diesem Ort bereit stellte.
    Duschen konnte ich die Zeit über nicht, stattdessen etablierte ich ein Abendritual, das dazu führte, nackt zwischen Bauwagen und Toilettenwagen zu stehen, Wasser aus einer kleinen roten Wanne zu schöpfen (das ich zuvor eimerweise aus dem Wasserhahn geholt hatte) und über meinen verschwitzten Körper zu gießen. Dieses 'Zurück zu den Wurzeln' stellte einen Höhepunkt meines Aufenthalts dar, weil ich so etwas noch nie hatte tun müssen und nun um die Erfahrung reifer wurde, eiskaltes Wasser auf meinem ganzen Körper zu fühlen, während die Natur um mich von mir unbeeindruckt weiter atmete und lebte. In diesen Momenten fühlte ich mich befreit von Konventionen und bereit für einen Neubeginn nach der Uni. Von solchen Momenten gab es leider zu wenige in Seedorf.
    Als Silja und Arne am Abend schließlich den Hof verließen, waren meine Aufgaben geklärt und ich fühlte mich motiviert genug, sie alle in der Woche meistern zu können (das zügige Entsorgen des Restmülls hatte mich glauben lassen, dass all das möglich war). Ich sollte im Lauf der Woche aber feststellen, dass Bauschutt und Steine mehr Stunden in Anspruch nehmen können, besonders weil ich die Arbeit in starker Hitze vermeiden wollte. Ich schaffte es weder den Hühnerstall abzureißen (das mich allein bestimmt drei, vier Tage gekostet hätte) noch den Rest Tapete von den Wänden zu kratzen (die Zeit hatte mir schlicht gefehlt). Was ich aber gleich an meinem ersten Tag erledigen konnte, war das Entsorgen der Deckenisolation im Keller des Hauses (es gab zwei Keller, aber der andere soll später zugeschüttet werden).
    Silja und ich hatten am Sonntag noch die Deckenverkleidung mit einem Brecheisen herunter geholt und damit viel Schaumstoff und eine Hummel-Familie freigelegt. Letztere summte noch immer um die Lampen, als ich am nächsten Tag hinunter ging, um den Müll in Beutel zu sammeln. Während ich besorgt war, was mit ihr geschehen sollte, war Arne überzeugt gewesen, dass sie ein neues Zuhause suchen und auch finden würde. Beim Einsammeln und Fegen war ich jedenfalls äußerst vorsichtig, um nicht von den Hummeln angegriffen zu werden (auch wenn es selten geschieht, dass sie auf Menschen losgehen) und vor allem um keine von ihnen zu töten. Sie schienen das Isolationsmaterial so lieb gewonnen zu haben, dass sie es auch am Boden weiter bewohnen wollten. Wie Menschen schienen sie sich nicht gerne von ihrem vertrauten Wohnort vertreiben zu lassen.
    Im Verlauf des Fegens und Einräumens stieß ich noch auf ein, zwei Kröten, die es sich anscheinend ebenfalls im Keller gemütlich eingerichtet hatten (in den Bauschutt-Haufen oben neben dem Bauernhaus sollte ich noch mehr von ihnen finden) und ich versicherte ihnen stets, dass ich aufpassen würde, sie nicht zu verletzen. Was schließlich meine Fantasie beflügeln sollte und meinem Faible für Horrorgeschichten Nahrung geben, war ein weiterer Fund, der sich nicht mehr bewegen konnte. Er passte wunderbar zu der Atmosphäre, die das schwache Leuchten der einzelnen Glühbirne und die fehlenden, unteren Stufen der wackeligen Holztreppe in mir erwachen ließen.
    Während ich, zum Glück behandschuht, das Isolationsmaterial in den Beutel hievte, hatte ich plötzlich etwas ungleich Steiferes in Hand. Ich senkte meinen Blick von den Hummeln und erkannte eine mumifizierte Katze, dessen Hinterpfoten ich hielt. Mit einem lauten „Hah!“ ließ ich sie fallen und lachte dann in den Raum wie einer, der den Schrecken als Witz enttarnt hatte. Im besten Sinne fühlte ich mich nun in einer Geistergeschichte beheimatet.
    Ein Gastarbeiter soll für mehrere Tage an einem verlassenen Ort für Geld arbeiten und entlockt dem Gemäuer auf dem Grundstück einen Fluch, der vom unheimlichen Vorbesitzer ausgelöst worden war. So abgegriffen diese Story klingt, wie oft schon wurde solch eine erzählt?, ist es doch etwas anderes, wenn man sich real in einer fühlt. Jenes Kribbeln auf der Haut, als ich im Keller war und
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