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Patrick: Eine finstere Erzählung

Patrick: Eine finstere Erzählung

Titel: Patrick: Eine finstere Erzählung
Autoren: Christian Sidjani
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es sein, dass deswegen Herr Maracz mich zu Ihnen geschickt hat? Sicher ist das so. Weil Sie ihm viel Geld schulden. Aber ich weiß noch mehr, Herr Friedrichs. Ich weiß, dass Herr Maracz weiß, dass Sie sich vor ihm verstecken. Und zwar in der Wohnung Ihrer toten Tante. Ist es nicht so, Herr Friedrichs? Und dass Sie sich mit einer Prostituierten namens Patrizia treffen. Ich weiß da eine ganze Menge, Herr Friedrichs.“ 
    „Sie wissen gar nichts von mir“, schimpft Michael. Er rammt den Aktenkoffer in den Arm des Fremden, die Pistole saust zu Boden. Michael schnellt mit seinem ganzen Gewicht vor, stößt den Mann nach hinten, dass er fällt, und rennt aus dem Raum mit den Schließfächern.
    Der Mann schreit auf, ein dumpfer Laut begleitet seinen Fall, ein Knacken als bräche ein dicker Ast entzwei. Es rumpelt, dann stöhnt er. Michael bleibt stehen, blickt zurück. Der Fremde liegt auf dem Boden, seine Arme ungelenk vom Körper gestreckt, der Kopf auf seinen Brustkorb gepresst.
    Michael verharrt in seiner Position, der Aktenkoffer in seiner Hand wie das Werkzeug eines Verbrechens. Obwohl er kein Gewicht hat, droht er aus der Hand zu fallen. Als Michael schließlich zu dem Mann geht, bemerkt er das Blut, dass an den Schließfächern über dem Gefallenen klebt, an einem Schloss stecken Härchen und etwas Glibbriges rutscht über die glatte Oberfläche.
    „Helfen Sie mir“, stöhnt der Verletzte. Zum ersten Mal sprechen seine kalten, blauen Augen. Sie sind weit aufgerissen. Schmerz und Angst mischt sich in ihnen. Mit seiner rechten Hand klammert er sich an Michaels T-Shirt. „Helfen Sie mir“, wiederholt er, „Ich spüre meine Beine nicht.“ Apathisch lässt er Michael wieder los, hebt seinen Kopf an und befühlt seine Wunde. Als er seine Finger betrachtet, sind diese dunkelrot. „Ich blute.“
    „Ja“, sagt Michael, „Sie bluten. Und ich gehe jetzt. Aber ich rufe einen Krankenwagen. Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.“
    „Bleiben Sie!“ Seine Zähne sind rot gefärbt wie von dieser Kapsel aus der Zahnpasta-Werbung, die zeigen soll, ob sich jemand richtig geputzt hat. Blutige Sabberfäden rinnen an seinem Kinn hinunter.
    „Ich kann nicht“, sagt Michael. Jetzt sieht er die Pistole, nur wenige Zentimeter neben ihm. Dunkles, glänzendes Metall, ein kurzer Lauf. Ob das eine Magnum ist?, fragt er sich und nimmt sie in seine Hand. Schwerer als er dachte, ihr Gewicht drückt ihn nach vorn.
    „Herr Friedrichs“, keucht der Mann mit den Stahlaugen, „Herr Friedrichs.“ Kraftlos greift er nach seiner Pistole, greift daneben, lässt es sein.
    Michael steht auf, holt sein Handy aus der Hosentasche. Er hat die Notrufnummer schon gewählt, als eine Frauenstimme hinter ihm schreit: „Oh mein Gott, was machen Sie da?!“ Er legt wieder auf, die Pistole in seiner Hand gibt ihm Sicherheit, dann dreht er sich um und bedroht die Frau. „Halten Sie die Klappe“, sagt er, „Es war ein Unfall.“
    Ihr Mund formt ein großes O, kein Wort dringt hervor, die Augen vor Schreck erstarrt auf die Pistole gerichtet. Als ein hochgewachsener Mann den Bereich mit den Schließfächern betritt, läuft Michael los. Der Aktenkoffer schlägt ihm gegen das recht Bein.
    „Was ist denn hier passiert?“... „Der Mann hat eine Waffe.“ ... „Oh mein Gott, ist er tot?“
    Das Gespräch verkommt zum Murmeln, es mischen sich mehrere Stimmen mit ein. Jemand schreit: „Da ist er! Halten Sie ihn!“
    Michael rennt, seine Füße prallen vom Boden ab, das Herz klopft in seiner Brust, hektisch blickt er nach links, nach rechts, teilnahmslose Gesichter blicken ihn an, verfolgen seine Gestalt. In seinen Ohren rauscht es, die Welt zischt an ihm vorbei, das Quietschen der Bahnen, wenn sie bremsen, mischt sich mit Ansagern und Stimmengewirr. Seine Schritte verdoppeln sich, er läuft außerhalb seines eigenen Taktes. Nein, es sind andere Füße, die laufen, andere Beine, die fremde Körper tragen. Er wird verfolgt.
    Michael weicht Reisenden aus, Jugendlichen, Frauen mit Hündchen. Sekundenlang blickt er über seine Schulter. Es sind vier Männer, die hinter ihm laufen, Sicherheitspersonal. Er rempelt ein Pärchen an, als er die Treppe hinunter hechtet, auf den Bahnsteig.
    „Halt!“ schreit jemand, „Haltet ihn!“
    Eine S-Bahn fährt ein, Michael stolpert, Pistole und Koffer reißen aus seinen Händen, er sieht nicht wohin. Jemand springt ihm in den Rücken, ein Knie drückt ihn auf den Boden. „Haben wir dich, Freundchen.“ Schläge
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