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Patrick: Eine finstere Erzählung

Patrick: Eine finstere Erzählung

Titel: Patrick: Eine finstere Erzählung
Autoren: Christian Sidjani
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ausschließlich Fotos, die ich selbst geschossen habe), stieß ich auf die mumifizierte Katze, der ich in jenem Jahr meiner Auszeit begegnet war. Da ich damals auch eine Art Tagebuch über meine Reise führte, gibt es eine dokumentierte Geschichte zum Cover, die ich dem geneigten Leser nicht vorenthalten möchte.
    Viel Spaß.
    P.S.: Wie seltsam ist es manchmal, dass die Realität unsere Fiktion einholt? Wenn ich mir eine Geschichte über eine tote Katze ausdenke und sie zwei Jahre später in den Händen halte. Oder wenn ich an einer Geschichte über die Zahl 1973 arbeite und sie plötzlich überall zu sehen meine. Es heißt, schreib über das, was du kennst. Aber manchmal scheint es mir so, dass ich über das schreibe, was ich erst in der Zukunft kennen lerne. Kann auch nur Einbildung sein, aber in ihr liegt doch der Kern für das Erzählen und gute Geschichten.
     
    Sommer 2010:
    Als ich am Sonntag, den 20. Juni am Bahnhof Dahlenburg ankam, war es noch nicht so warm. Tatsächlich trug ich seit meiner Abreise aus Wilhelmsburg einen Longsleeve, darüber Kapuzenpulli und sogar mein Jackett, das ich wegen der vielen Taschen sehr praktisch finde. Eine Montur, die ich mir jetzt, mit über dreißig Grad jeden Tag (ich hörte schon von Hitzewelle und Siebenschläfer-Sommer), nicht mehr vorstellen möchte. Ich trug mein übliches Gepäck, wenn ich länger an einem Ort bleibe (so wie in Moorfleet): Rucksack, Tasche und Gitarrentasche.
    Das Häuschen am Bahnhof war klein, wie es sich für die Bahnhöfe von Dörfern auf dem Land gehört. Es hatte zwar einen Durchgang, aber ich folgte dem Weg außen herum, weil ich mir sofort eine Zigarette angezündet hatte, kaum dass ich ausgestiegen war. Auf der einstündigen Fahrt hatte sich der Schmachter nach Nikotin entzündet und ich brannte darauf, giftigen Rauch in meine Lungen zu atmen. Diese Abhängigkeit hatte mir in den ersten Wochen meiner Reise noch Probleme bereitet, das Radfahren gestaltete sich ein manches Mal zu einer Tortur, aber in letzter Zeit scheint mich das Rauchen nicht mehr zu bremsen.
    Ich war pünktlich, auf die Minute wohl, was mich wunderte, sind doch viele Fahrgäste daran gewöhnt, dass die Deutsche Bahn sich gerne verspätet. Selbst den Anschluss in Lüneburg hatte ich geschafft, obwohl ich dafür zum Westbahnhof wechseln musste (was mir erst bei meiner Ankunft dort durch das Studieren des Fahrplans bewusst geworden war; die kurze Zeit zum Umsteigen, die ich hatte, nährte meinen Schmachter nur noch mehr). Als ich schließlich auf der anderen Seite des Häuschens auf eine Straße blickte, zu der man Feldweg sagen muss, weil sie nicht asphaltiert ist, an der sich eine hohe Hecke entlang zog, glich sich meine Vorstellung von 'Außerhalb der Stadt' mit der Realität ab. Ich realisierte, hier war nichts. Die reduzierte Version von einem Parkplatz vor dem Häuschen unterstrich meinen Gedanken.
    Ich stellte mein Gepäck neben die einzige Wartebank und schnippte die Zigarette auf den Wegsand. Nachdem ich die wenigen parkenden Autos in Augenschein genommen und bemerkt hatte, dass Silja noch gar nicht da war, ging ich zurück ins Häuschen, um die Frau, die anscheinend dort arbeitete, nach den Rückfahrzeiten zu fragen. Kaum war ich also angekommen, wollte ich schon wissen, wann ich wieder gehen konnte.
    Ich erfuhr, dass die Bahn nach Lüneburg nur ein paar Mal am Tag fuhr. Dieser Kontrast zum Öffentlichen Nahverkehr in Hamburg beruhigte mich. Warum, weiß ich nicht genau. Vielleicht weil ich mir eine entfernte Welt gewünscht hatte, in der ich für ein paar Tage vom Großstadt-Leben abschalten konnte und 'in medias res' gehen, und die spärlichen Fahrzeiten genau so einen Ort implizierten.
    Ich wollte ein Nichts, ein Niemandsland, in dem nur ich und die Natur in friedlicher Koexistenz lebten, fast so wie in einer post-apokalyptischen Vision. Nachdem mich Silja abgeholt hatte (sie kam wenige Minuten später, weil die Schranken des Bahnübergangs unten gewesen waren; für jene Bahn, die mich hierher gebracht hatte) und wir nach einem kurzen, fast unbeholfenen Geplänkel in ihrem Auto (was redet man denn informell mit einem ehemaligen Vorgesetzten?) auf ihrem Bauernhof angelangt waren, verzog sich meine Vision des Niemandslands in die Gefilde meines Gehirns, aus der sie gekommen war. Auch wenn wir nun in Seedorf waren, und der Ort von der Lebhaftigkeit Hamburgs so weit entfernt war wie ein Lehrling von den Qualitäten eines Meisters, war hier Etwas , insbesondere
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