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Patientenverfügung

Patientenverfügung

Titel: Patientenverfügung
Autoren: Schuldzinski und Nordmann
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durch technische Maßnahmen der „Apparatemedizin“ am Sterben gehindert zu werden. Andere sorgen sich, in ihrer letzten Lebensphase ihren Angehörigen zur Last zu fallen und von anderen abhängig zu sein. Manch einer hat Angst, als Sterbender zu medizinischen Forschungszwecken benutzt zu werden. Viele dieser Befürchtungen beruhen auf Unwissen bezüglich des Sterbens oder auf falscher Einschätzung medizinischer Möglichkeiten.
    Während noch vor einigen Jahrzehnten sterbende Patienten aus stationärer Krankenhausbehandlung entlassen und von ihren Angehörigen nach Hause geholt wurden, sterben heute drei Viertel aller Deutschen in stationären Einrichtungen – vor allem Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen. Immer weniger erfahren wir so Krankheit, Sterben und Tod als Teil unseres Lebens.
    Vor diesem Hintergrund ist zu sehen, dass – nach einer Umfrage im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben im Jahr 2000 – 68% der Befragten aktive und direkte Sterbehilfe bei todkranken Patienten befürworten, wenn diese mehrfach den Wunsch danach geäußert hatten. Allerdings zeichnet eine Befragung von Menschen in Altenpflegeheimen ein anderes Bild: Hiernach wünschten 89% menschliche und technische Hilfe wie eine Reanimation, wenn sie medizinisch für notwendig erachtet wird (A. Ziegler u. a., Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 05.04.2002).
    Die überwiegende Zahl der Deutschen stirbt nach einer mehr oder minder langen medizinischen Behandlung bei chronischer Erkrankung. Der medizinische Fortschritt macht es möglich, dass vielen Menschen mit Krankheiten oder Verletzungen, die früher in kurzer Zeit zum Tod führten, geholfen werden kann. Allerdings kann sich damit auch die Grenze verschieben, an der sich die Frage nach einem Leben und Sterben in Würde stellt. Was bedeutet es für eine krebskranke Frau, nicht innerhalb von sechs Wochen, sondern erst nach einem Jahr an ihrer Krankheit zu sterben? Kann ihr so ermöglicht werden, schmerzfrei und bei voll erhaltenen geistigen Fähigkeiten ihre persönlichen Dinge zu regeln und würdevoll Abschied von Ihren Angehörigen zu nehmen? Oder bedeutet es lediglich eine Verlängerung des Leidens? Für einen jungen Mann mag es nach einem Unfall nach anfänglichem Hadern mit dem Schicksal Glück bedeuten, wenn er wiederbelebt wurde und durch intensive menschliche Begegnungen und Entwicklung neuer Interessen ein erfülltes Leben im Rollstuhl führen kann. Aber wie ist es zu bewerten, wenn er anschließend dauerhaft bewusstlos bleibt? Mit diesen und ähnlichen Fragen, auf die sich keine allgemein gültigen Antworten finden lassen, sind Menschen, ihre Angehörigen und die behandelnden Ärzte immer wieder konfrontiert. Niemand mag sich vorstellen, „unerträglich leiden“ zu müssen. Andererseits können Werte, die einem gesunden, geistig regen Menschen viel gegolten haben, bei schwerer Krankheit und im Sterben überholt sein.
Patientenwille als Maßstab aller Entscheidungen?
    Bei der Umsetzung des Patientenwillens ist zwischen drei verschiedenen Situationen zu unterscheiden, die in der öffentlichen Diskussion oft miteinander vermischt werden:
    1. In vielen Fällen gilt es zu entscheiden, ob eine medizinische Maßnahme erfolgen soll oder nicht, angefangen bei einer simplen Blutabnahme bis hin zur Überlegung, ob zum Beispiel ein nicht mehr durchbluteter Fuß amputiert oder eine Magensonde durch die Bauchdecke gelegt werden soll. Bei der Entscheidung, ob eine Maßnahme durchgeführt werden soll oder nicht, muss sich der Arzt an zwei grundsätzliche Regelungen halten: Zum einen ist er verpflichtet, Leben zu erhalten, zum anderen muss er den Willen seines Patienten beachten. Unterlässt der Arzt eine Maßnahme gegen den Willen des Patienten, kann er sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen. Handelt er jedoch gegen die Einwilligung des Betroffenen, begeht er nach geltendem Recht eine Körperverletzung, die ebenfalls strafbar ist. Allerdings muss der Patient in der Lage sein, die Tragweite seiner Entscheidung zu verstehen, und sich der Konsequenzen seiner Entscheidung bewusst sein. Kann ein Patient sich nicht mehr selbst dazu äußern, muss der Arzt den mutmaßlichen Willen seines Patienten erforschen. Hierzu muss er den Bevollmächtigten oder Betreuer, aber auch Angehörige oder Freunde befragen. In diesem
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