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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben
Autoren: Katrin Stehle
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… Ich habe mich von dem Typen erpressen lassen, einfach weil ich weiß, zu was der alles fähig ist. Er hat mir gedroht, mich bei dem Typen meiner Mutter zu verpfeifen und ihm dann noch so ein paar Geschichten aufzutischen, die ihn erst so richtig ausflippen lassen. Alles schön untermauert mit sehr glaubwürdigen, aber natürlich gefakten Beweisen.« Er schluckt. »Aber als ich dann mitgekriegt habe, dass er dich in den Keller … also da konnte ichnicht länger zuschauen.« Er sieht mich an. »Da habe ich Clara angesprochen.«
    »Und ich konnte sowieso nicht glauben, dass du was mit Davids Unfall zu tun hast, auch wenn alle von deinem Schal neben Julias Haus geredet haben«, sagt Clara.
    David. Ich denke an ihn, wie er im Krankenhaus liegt, Schläuche überall. Ein Überwachungsgerät piepst. Ich hoffe, er wird wieder ganz gesund.
    »Und dann haben wir uns umgesehen und so einiges auf Ralfs Computer entdeckt«, erklärt Erwin.
    »Und wir haben Fotos von dir gefunden, alle mit Tele aufgenommen«, macht Clara weiter. »In seinem Schrank versteckt, manche davon zerknautscht.«
    »Wie konnte er das nur tun? So viele Menschen verletzen?«, fragt Tatjana.
    Seine Liebesschwüre. Seine irren Vorstellungen. Sein Hass.
    »Er ist krank«, sage ich leise und meine Stimme zittert nur ein ganz kleines bisschen.
    »Trotzdem wussten wir nicht, ob wir Felix glauben können …«, macht Erwin weiter.
    Felix?
    »Entschuldige«, meint Marco, »eigentlich heiße ich Felix. Ich hatte nur Angst, meinen echten Namen zu nennen, und Marco klingt ziemlich cool, finde ich.«
    »Also sind wir, während Tatjana Wache gehaltenhat, runter und haben deinen Pulloverfetzen entdeckt«, redet Erwin weiter.
    »Ich wusste zwar, dass er sie nicht alle hat«, meint Clara leise, »aber das! Ich meine, er ist doch mein Bruder.«
    Wieder laufen ihr Tränen über die Wangen.
    Tatjana legt ihr den Arm um die Schultern. »Ich fühle mich schuldig«, erklärt sie dann. »Jahrelang habe ich weggesehen, bin ihm sogar aus dem Weg gegangen. Er hat mir Angst gemacht.«
    »Hört auf. Ihr habt mich gerettet«, sage ich.
    Und dann sehe ich, dass Marco oder Felix, wie er anscheinend wirklich heißt, sich verdrücken will.
    »Danke«, sage ich auch zu ihm.
    »Ich hab doch nur … ich hätte da nie …«, stottert er und sieht plötzlich viel jünger aus.
    »Psst«, mache ich und sehe, wie er lächelt.
    Obwohl das in dieser Situation mehr als nur unpassend ist, wird mir ganz warm.
    »Genau«, mischt Clara sich ein, »ohne dich hätten wir das nie so schnell hingekriegt.«
    »Und jetzt?«, frage ich. »Musst du dich wieder verstecken?«
    Marco-Felix seufzt. »Nur noch zwei Monate.«
    »Das kriegen wir schon irgendwie hin. Wir helfen dir.« Erwin boxt ihn in die Seite. So stark, dass er zusammenzuckt.
    Ich schlucke, habe plötzlich wieder Hoffnung. Erwin, Tim, Marco-Felix, Clara und ich. Ein neues Abenteuerleben …
    Doch plötzlich muss ich wieder an Ralf denken. Seine Augen. Wie er mich ansieht. Die plötzlichen Wechsel in seinen Stimmungen, seiner Stimme. Als wäre er jedes Mal ein total anderer. Mir ist kalt. Ich weiß nicht, ob ich das jemals wieder loskriege, ob es je ganz verschwindet. Die Dunkelheit. Die Ratten. Das Ausgeliefertsein, nie wissen, wie er sein wird, wenn er zurückkommt …
    Mein Bein fängt an zu zittern, ein Knie, das andere. Schließlich wackelt mein ganzer Körper. Die Tasse in meiner Hand klappert. Kakao spritzt mir auf den Schoß.
    Tatjana nimmt sie mir ab. Und Clara hält mich ganz fest im Arm.
    Erwin geht einen Lappen holen.
    Jedenfalls bin ich nicht diejenige, die verrückt ist. Und vielleicht können sie ihm ja helfen, zumindest ein bisschen.
    Erwin kommt mit zwei Menschen zurück.
    Meine Eltern.
    Mein Vater sieht mich mit diesem schiefen Blick an, prüfend und doch zärtlich, und meine Mutter hat die Lippen fest zusammengepresst. Aber dann kommt sie auf mich zu, Clara lässt mich los undmeine Mutter kniet vor mir, nimmt mich in die Arme. Mein Vater legt mir eine Hand aufs Haar, wie er es immer getan hat, als ich klein war. »Es tut uns so leid«, sagt er leise.
    In diesem Moment ist alles gut. Natürlich weiß ich, dass die Erinnerungen an Ralf, an den Keller immer wiederkommen werden, dass es nicht ganz einfach wird für Marco-Felix, dass es sicher immer wieder mal Probleme gibt …
    Und dass meine Mutter sich auch weiterhin schwertun wird, mich in den Arm zu nehmen. Aber gerade eben tut sie es.
    Und ich fühle mich ziemlich glücklich.
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