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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben
Autoren: Katrin Stehle
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vertraut, ich habe alles für dich getan!«
    »Nein.« Wieder zittert meine Stimme nur ein ganz, ganz kleines bisschen. »Du hast alles für dich selbst getan. Für deine kranke Fantasie!«
    Wieder ein Schlag. Mein Kopf fliegt zur Seite.
    Ich höre mich selbst schreien.
    Und dann geht alles ganz schnell.
    Die Tür fliegt auf.
    Er dreht sich um.
    Die Kerze fällt, erlischt.
    Nur das Ganglicht erhellt das Verlies.
    Und dann sind sie da.
    Halten ihn zu dritt fest.
    Er strampelt, spuckt, schreit.
    »Erwin, du Loser! Du Verräter!«, brüllt er. »Ich habe so viel für dich getan. Niemand will doch was mit so einer fetten, ekligen Fleischwurst wie dir zu tun haben. Und was machst du? Fällst mir in den Rücken!«
    »Gib auf, Ralfi«, meint Erwin und ich bewundere ihn für seine Ruhe. »Du hast verloren.«
    Ralf denkt nicht dran, wehrt sich weiter.
    Und ich stehe auf, meine Beine zittern, geben unter mir nach. Aber ich schaffe es doch.
    »Geh rauf, hol die anderen!«, ruft Clara mir zu, sieht mich aber nicht an.
    Ich sehe gleich, warum.
    Ihre Nase blutet.
    Aber komischerweise falle ich nicht um.
    Ich renne, laufe aus dem Keller, keine Ahnung, wen ich holen soll. Vielleicht Tatjana, aber wen noch? Egal.
    Ich stolpere in die Freiheit, war nie so froh, einen hässlichen Schirmständer zu sehen.
    Er fällt mit mir um.
    Tatjana stürzt um die Ecke, fängt mich auf.
    »Sie brauchen dich!«, sage ich und meine Stimme ist mir fremd.
    Hinter ihr kann ich noch eine weitere Person erkennen. Marco. Ausgerechnet. Was macht der denn hier? Ist der nun ein Freund von Ralf oder … Ich kann nicht mehr denken. Mir wird schwarz vor Augen.
    Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf dem Sofa in Claras Wohnzimmer.
    Alle sind da, sehen mich an. Clara. Tim. Erwin. Tatjana. Lauter Freunde.
    »Wo, was, wo ist …«, stammle ich.
    »Sie ist wach!«, ruft Tatjana freudig und beugt sich zu mir hinunter, legt mir eine ihrer weichen Hände auf die Stirn.
    »Sie haben ihn abgeholt«, erklärt Erwin finster. »Er wird wohl nun in die Geschlossene kommen.«
    »Und die Polizei war sehr interessiert an unseren Aufnahmen«, meint Tim. »Beim Film ist die Tonqualität nicht toll, aber der iPod war sein Geld wert!«
    Ich richte mich auf, merke, dass ich ein frisches Shirt trage, eines von Clara.
    »Aber jetzt gibt's erst mal heiße Schokolade«, erklärt Tatjana, die mit einem Tablett voller dampfender Tassen wiederkommt.
    Ich halte meine Tasse fest, und als ich einen Schluck probiere, habe ich das Gefühl, noch nie so etwas Gutes getrunken zu haben.
    Clara lächelt mich schüchtern an.
    »Wie habt ihr das eigentlich geschafft?«, frage ich. »Ich war so dumm!«
    Erwin brummt irgendwas.
    Ich sehe ihn an. Schön ist er noch immer nicht. Verlieben könnte ich mich auch nicht in ihn. Aber ich merke plötzlich, dass ich ihn mag. Vielleicht, weil uns plötzlich etwas verbindet. Weil Ralf uns beide ausgetrickst hat.
    »Eigentlich hat alles mit ihm angefangen«, erklärt Clara und da entdecke ich Marco.
    Ich starre ihn an. »Aber …«, stottere ich.
    »Er hat dir sicher eine komische Geschichte über mich reingedrückt, oder?«, Marco lächelt ein wenig schräg.
    Ich nicke, merke, dass ich rot werde. Aber irgendwas ist doch wirklich seltsam an ihm …
    »Er hat gesagt, er kennt dich aus der Psychiatrie.«
    »Das stimmt leider«, meint Marco. »Ich war dort, weil ich ständig Schule geschwänzt habe und ein paarmal von zu Hause abgehauen bin. Sie wollten mir einfach nicht glauben, dass der Neue meiner Mutter ein gewalttätiger Idiot ist. Vor allem nicht, weil sie ihn gedeckt hat.« Seine Augen sind ganz schmal.
    Ich denke an lange weiße Gänge, an Gummizellen …
    »Und dann bist du von dort ausgebrochen? Aus der Psychiatrie?«, frage ich.
    Er beißt sich auf die Lippe. »Im Gegenteil. Ich wollte bleiben. Aber sie haben mich nicht gelassen, egal, wie verrückt ich mich aufgeführt habe, ich sollte zurück zu meiner Mutter und zu ihm. Und das wollte ich auf keinen Fall – lieber auf der Straße leben, bis ich achtzehn bin. Hier in Lindau habe ich mich eine Weile sicher gefühlt. Nachts konnte ich immer in einem Schrebergarten übernachten und auf der Straße verdient man, für einen so kleinen Ort, nicht schlecht. Außerdem wird nicht kontrolliert, wie zum Beispiel in München. Egal …« Er unterbricht sich selbst, starrt vor sich hin.
    »Ich habe dich mit Ralf gesehen, auf der Insel …«, murmle ich.
    »Ich weiß.« Er sieht mich direkt an. »Es tut mir so leid
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