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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes
Autoren: Jan Seghers
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betreten hatten. Dass die Kritiker ihn noch immer ausnehmend freundlich behandelten, lag wohl nicht zuletzt an Sandrine, deren Ruf als Musikwissenschaftlerin ihren Mann vor den Härten der Branche schützte.
    Valerie war an diesemAbend nach Hause gefahren und hatte unentwegt an ihn gedacht. Sie hatte die halbe Nacht im Bett gelegen und seinen Namen geflüstert. Dann war sie aufgestanden und hatte eine Kritik über sein Konzert geschrieben, die so witzig, so treffend formuliert, aber zugleich auch von einer so verletzenden Schärfe war, dass der Redakteur ihr am nächsten Morgen zwar gratulierte, zugleich aber darauf bestand, den Text vor der Veröffentlichung vom Justiziar des Blattes absegnen zu lassen.
    Zwei Tage später war derArtikel erschienen: Wort für Wort so, wie sie ihn geschrieben hatte. Schon als sieam späten Vormittag beim Frühstück saß, klingelte immer wieder das Telefon. Niemand aus dem Kreis ihrer Freunde und Bekannten, der sie nicht zu dem gelungenen Coup beglückwünschen wollte. Endlich war das Denkmal vom Sockel gestoßen, endlich hatte sich mal jemand nicht von Forets Charme übertölpeln lassen, endlich war mal jemand nicht vor dem Ruf und Einfluss seiner Frau in die Knie gegangen.
    Gegen Mittag, Valerie hatte gerade geduscht, läutete es an der Tür. Sie ging in dieDiele, drückte auf den Öffner, dann lief sie zurück,um sich rasch einen Bademantel überzuziehen.Als sie wieder in den Flur kam, stand er vor ihr: Victor Foret – mit einem großen Blumenstrauß in der Hand. Er schaute sie lange an, dann lächelte er: «Ja, das habe ich mir gedacht. Ich habe mir gedacht, dass Sie die Frau sind, die diesen Artikel geschrieben hat. Sie haben links in der ersten Reihe gesessen, nicht wahr? Sie haben mich angehimmelt wie eine Vierzehnjährige. Ich wusste nicht, dass Sie Journalistin sind, aber ich habe mir gedacht, dass wir uns wiedersehen würden. So oder so.»
    Zwei Minuten später lag ihr Bademantel auf dem Boden und sie mit Victor im Bett.«Wie hast du mich überhaupt gefunden?», fragtesie, als er sich Stunden später von ihr verabschiedete. «Wer solche Texte schreibt», sagte er, «sollte entweder ein Pseudonym benutzen oder nicht im Telefonbuch stehen.»
    Victor ließ nicht locker. Zweimaltäglich rief er an. Sie legte auf. Immer wieder lud er sie zum Essen ein, sie lehnte ab.Acht Wochen lang versuchte sie, sich dagegen zu wehren, dann gab sie auf. Sie war die Geliebte eines verheirateten Mannes. Sie liebte Victor Foret, wie sie keinen Menschen zuvor geliebt hatte. Mehrmals in der Woche trafen sie sich – immer tagsüber, immer heimlich. Mal bei ihr, mal in einemHotel, mal in der leerstehenden Wohnung von Freunden. Sie spielten ihr Spiel. Ein Spiel, das beiden gefiel. Die Heimlichkeit erhöhte den Reiz, und jede Trennung machte die beiden umso begieriger auf das nächste Wiedersehen.
    «Was hältst du davon, wenn ich mich scheiden lasse?», fragte er irgendwann.
    «Nichts», sagte sie.
    «Warum nicht?»
    «Weil dann Schluss ist mit uns.»
    «Also liebst du mich nicht.»
    «Doch.»
    «Aber?»
    «Nichts aber. Wie es ist, ist es schön.»
    Je mehr sie sich zierte, desto öfter sprach er davon. Schließlich tappte sie in die Falle. Schließlich sagte sie ja. Ja, lass dich scheiden. Ja, ich will deine Frau werden. Ich will es, wie ich nichts sonst auf der Welt will.
    Es warderAnfang vom Ende. Nun war er es, der immer neue Gründe fand, seine Scheidung hinauszuzögern. Gründe, die Valerie zunächst plausibel erschienen, die sie bald aber als Ausreden durchschaute. Sie bekamAngst, dass er ihr entgleiten würde. Sie bedrängte ihn, sich häufiger zu treffen, endlich mal ein ganzes Wochenende oder wenigstens eine Nacht miteinander zu verbringen.Sie sprach davon, eine gemeinsame Wohnung zu nehmen. Und dass sie Kinder von ihm haben wolle. Sie beging jeden Fehler, den man begehen konnte. Sie machte sich klein und versuchte, ihm selbst jene Wünsche zu erfüllen, die er nie geäußert hatte. Dann wieder entzog sie sich für Tage, nahm das Telefon nicht ab und öffnete nicht die Tür. Sie zog alle Register. Schließlich drohte sie ihm sogar,seiner Frau die Wahrheit zu sagen.
    Dann trennte sie sich von ihm.
    Und lag schon eine Woche später wieder mit ihm im Bett. So ging es weiter. Sie drehten sich im Kreis. Jederneuen Trennung folgte eine neue Versöhnung. Zunächst nahmen ihre Freundinnen Anteil, trösteten sie, gaben Ratschläge. Bald aber winkten sie nur noch ab, reagierten gelangweilt auf die
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