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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes
Autoren: Jan Seghers
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Öl und Knoblauch gegart hatten. Immer wieder schaute Marthaler lächelnd zu Tereza. Und auch sie suchte seine Nähe, gab ihm hin und wieder einen flüchtigen Kuss oder bedachte ihn mit einer kurzen Berührung.Elena und Carlos erzählten von ihrem letzten Urlaub inAndalusien, wo ein Teil von Elenas Verwandtschaft lebte. Dann hoben sie gemeinsam die Gläserund stießen auf Terezas Schwangerschaft an, auf eine leichte Geburt und auf die Gesundheitdes Kindes. Später schauten sie schweigend zu, wie über dem Taunus die Sonne unterging.
    Trotzdem merkte Marthaler, dass die Ereignisse der letzten beiden Wochen wie ein Schatten über demAbend lagen. Einmal war er aufgestanden, war allein bis zum hinteren Ende des Gartens gegangen und hatte lange in die Ferne geschaut. Nach einer Weile war Elena gekommen und hatte sich neben ihn gestellt.
    «Das war alles ein bisschen zu viel für euch, oder?»
    «Ja», sagte er. «Es gibt wohl keinen Kollegen, der aus dieser Geschichte so ganz unversehrt wieder herauskommt. Und die Berichte aus Auschwitz, die ich gelesen habe, gehen mir ebenfalls nicht aus dem Kopf. Lange wollte ich nichts darüber wissen. Jetzt ist es da und geht nicht mehr weg.»
    «Weißt du, dass es in Córdoba eine Zeit gegeben haben soll, in der Christen, Juden und Moslems friedlich miteinander gelebt haben?», fragte Elena.
    «Ja. Ich habe davon gehört. Und kann es jetzt kaum noch glauben.»
    «Selbst wenn es nicht immer gestimmt hat, ist es eine Geschichte, die man erzählen muss. Weil es immerhin eine Möglichkeit ist.»
    «Vielleicht», sagte Marthaler. «Vielleicht ist es eine Möglichkeit… Ich muss immerdaran denken, was die Überlebenden aus den Lagern berichtet haben. Fast alle haben sich geschämt, noch zu leben, während umsie herum so viele im Gas gestorben sind. Manche haben aus ihren Erfahrungen den Schluss gezogen, in eine Welt, die zu so etwas fähig ist, niemals ein Kind setzen zu wollen.Andere sind zu dem gegenteiligen Ergebnis gekommen. Sie glaubten, ihr altes Leben nur aushalten zu können, wenn es wieder neues Leben gibt.»
    «Und… was meinst du? Wie geht es dir?»
    «Ich weiß es nicht. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, jemals im selben Moment so traurig und so glücklich gewesen zu sein.»
    Inzwischen war es dunkel geworden.Als sie hörten, dass aus dem Haus Musik kam, gingen sie zurück.
    Während Tereza ein paar Sachen in die Küche räumte, saß Carlos Sabato am Klavier und spielte eine kleine, schwermütige Melodie.
    «Hübsch», sagte Marthaler, als das Stück zu Ende war. «Was war das?»
    «Kennst du es nicht?», fragte Sabato.
    Marthaler schüttelte den Kopf.
    «Du kannst es auch nicht kennen. Es war eine Uraufführung. Ein kleines Nocturne aus Jacques Offenbachs Geheimnis einer Sommernacht. Schon mal davon gehört? Und wenn mich nicht alles täuscht, dürfte das Liedchen in Kürze um die Welt gehen.»
    Marthaler schloss die Augen und sog Terezas Geruch ein. Sie war von hinten an ihn herangetreten und hatte ihre Arme um seinen Bauch gelegt. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und legte ihren Mund an sein Ohr. «Komm», flüsterte sie, «Elena gähnt schon. Und du bist auch müde. Wir gehen zu Hause. Ich werde dir noch ein wenig Füße massieren.»
     

Folgenden Publikationen verdankt derAutor wichtige Informationen:
    Heinrich Beischl: Dr. med.Eduard Wirths und seine Tätigkeit als SS-Standortarzt im KLAuschwitz
Jadwiga Bezwinska, Danuta Czech (Hrsg.): KLAuschwitz in den Augen der SS – Höss, Broad, Kremer.
Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im KonzentrationslagerAuschwitz-Birkenau 1939–1945.
Georg Bönisch, Markus Deggerich, Georg Mascolo, Jörg Schmitt: «Es geht mir gut», Der Spiegel, Nr.35 vom 29.8.2005.
Saul Friedländer: Wenn die Erinnerung kommt.
Fritz Bauer Institut Frankfurt am Main, Staatliches MuseumAuschwitz-Birkenau (Hrsg.): Der Auschwitz-Prozess– Tonbandmitschnitte, Protokolle, Dokumente, DVD-ROM.
Gideon Greif: «Wir weinten tränenlos…». Augenzeugenberichte des jüdischen «Sonderkommandos» inAuschwitz.
Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.): «Und keiner hat für uns Kaddisch gesagt…» – Deportationen aus Frankfurt am Main 1941 bis 1945.
Eugen Kogon: Der SS-Staat.
Hermann Langbein: Menschen inAuschwitz.
Miklós Nyiszli: Im Jenseits der Menschlichkeit. Ein Gerichtsmediziner inAuschwitz.
Werner Sünkel, Rudolf Rack, Pierre Rhode:Adlerhorst– Autopsie eines Führerhauptquartiers.
    Ulrich Völklein: Josef Mengele. Der Arzt
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