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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes
Autoren: Jan Seghers
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hätte das SEK ihm diesen Gefallen nicht tun dürfen. Die Beamten haben nicht gehandelt, als wären sie Herr der Lage. Sie haben auf einen Reiz reagiert, den der Mörder gesetzthat. Sie sind einfach dem Schema gefolgt, das er vorausgesehen hat.»
    «Gut»,sagte Liebmann, «das war alles, was ich zu sagen hatte. Sollten Sie weitereFragen zum Thema haben, wenden Sie sich bitte an unseren Innenminister.» Mit dem Kopf zeigte er in Richtung des Eingangs, wo Roland Wagner jetzt mit seinem Gefolge auftauchte. «Er steht Ihnen sicher gerne zur Verfügung. Noch besser wäre es allerdings, Sie könnten eine Fernsehkamera auf ihn richten. Dann bekommt er regelrecht gute Laune.»
    Tatsächlich war Roland Wagner sofort von Journalisten umringt. Marthaler sah, wie er mit ernster Miene ein paar Erklärungen abgab. Einmal schaute er zu ihnen herüber. Als er Marthaler erkannte, erstarrte sein Gesicht, und er wandte sich abrupt ab.
    Behning, der die Szene beobachtet hatte, schüttelte den Kopf: «Bei uns in der Redaktion kursiert ein Witz: Weißt du, was der Unterschied zwischen unseremInnenminister und einer Dose Hundefutter ist?»
    Marthaler schaute ihn fragend an.
    «Das Hundefutter gibt es auch mit Hirn», sagte Behning. Nach gut einer Stunde war die Feier zu Ende. Marthaler beeilte sich, die Trauerhalle als einer der Ersten zu verlassen. Die Redner hatten Oliver Frantisek noch einmal als einen Polizisten dargestellt, der in jeder Hinsicht als überragendes Vorbild für die nachwachsende Generation von Kriminalisten dienen konnte. Es hatte sich so angehört, als sei es allein ihm zu verdanken, dass der Fall am Ende gelöst worden war, und als habe er dafür sein Leben gegeben.
    Marthaler atmete durch. Sabato und er hatten verabredet, nicht mit ans Grab zu gehen, sondern nach Berkersheim zu fahren, wo Elena und Tereza auf sie warteten.
    Endlich hatte es aufgehört zu regnen. Die Luft war feucht und warm. Überall stieg der Wasserdampf von den Bäumen und Wegen auf.
    «Komm», sagte Sabato, als er bei Marthaler ankam, «ich muss weg hier. Ich muss raus aus den nassen Klamotten. Mein Wagen stehtin der Rat-Beil-Straße.Außerdem habe ich Hunger. Wie es aussieht, können wir den Abend ja doch noch auf der Terrasse verbringen. Hoffentlich haben die Mädels schon den Grill angeworfen.»
    Sie hatten gerade die ersten Bäume erreicht, als Marthaler innehielt.
    Unweit des Weges, zwischen den Gräbern, die hier von dichten Büschen umgeben waren, stand ein Mann und starrte sie an. Der Mann hatte lange Haare und einen dichten Bart. In der Hand hielt er eine prallgefüllte Plastiktüte.
    «Das gibt’s nicht. Da ist der Kerl ja schon wieder», sagte Marthaler.
    Sabato lachte. «Nun lass ihn doch.»
    «Was heißt, nun lass ihn doch? Der Typ lauert mir seit Tagen auf. Selbst in unser Haus hat er sich schon geschlichen und seinen Duft verbreitet.»
    «Da bist du nicht der Einzige. Er taucht überall dort auf, wo er seine ehemaligen Kollegen treffen kann.»
    «Seine ehemaligen Kollegen? Soll das bedeuten, du kennst ihn?»
    «Jetzt sag nur, du weißt nicht, wer das ist? Dann denk mal scharf nach. Oder sieh genau hin.»
    Noch immer stand der Bärtige zwischen den Sträuchern und schaute geradewegs in Richtung der beiden Beamten.Als Marthaler sichnäherte, begann er zu grinsen. Dann drehte er sich um und trottete davon.
    «Das war nicht Herrmann, oder?»
    «Bingo!», erwiderte Sabato. «Hans-Jürgen Herrmann, einstmals Chef beider Mordkommissionen, jetzt der reichste Stadtstreicher unter Frankfurts Sonne.»
    «Wieso reich?»
    «Kurz nachdem er rausgeschmissen wurde, hat er eine große Erbschaft gemacht. Trotzdem ist er immer geiziger geworden. Er hat seine Wohnung gekündigt und lebt auf der Straße oder in irgendwelchen billigen Wohnheimen. Soviel ich gehört habe, besucht er sogar dieArmenspeisungen dieser Kirche in der Gutleutstraße.»
    «Und jetzt beginnt er vollends zu spinnen, oder was?»
    «Ja.Anscheinend hadert er immer noch mit seinem Rauswurf. Er gibt uns die Schuld.Aber er ist harmlos. Wahrscheinlich will erunseinfach ein schlechtes Gewissen machen… Los, nun komm, wir müssen noch was einkaufen.»
    «Erinnerst du dich noch an Herrmanns Lieblingswitz?»
    Sabato lachte. «Du meinst: Wie heißt derAndi mit Nachnamen?»
    «Genau. An die Arbeit!» An diesemAbend sprachen sie nicht über den Fall. Sie saßen auf der Terrasse, tranken Wasser und Wein und verspeisten große Mengen Gambas, die sie in einer Pfanne über dem offenen Feuer mit
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