Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parker Pyne ermittelt

Parker Pyne ermittelt

Titel: Parker Pyne ermittelt
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
zweiundneunzig Pfund, zwei Schilling und vier Pence. Zufriedenstellend. Recht zufriedenstellend.«
    Miss Lemon verließ den Raum.
    »Hör mal«, platzte es aus Claude heraus. »Ich mag das nicht. Das ist eine ganz niederträchtige Geschichte.«
    »Mein guter Junge!«
    »Eine niederträchtige Geschichte. Das war eine anständige Frau – die gute Sorte. Ihr diese ganzen Lügen zu erzählen, diesen ganzen schnulzigen Kitsch. Zur Hölle damit, das geht mir gegen den Strich!«
    Mr Parker Pyne schob seine Brille zurecht und sah Claude dann mit wissenschaftlichem Interesse in die Augen. »Ach du liebe Zeit!«, sagte er trocken. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass dich dein Gewissen im Verlauf deiner – ähem! – berühmt-berüchtigten Karriere jemals so geplagt hätte. Deine Liebschaften an der Riviera waren ganz besonders dreist, und deine Ausbeutung von Mrs Hattie West, der Ehefrau des kalifornischen Gurkenkönigs, war äußerst bemerkenswert in Anbetracht deines abgebrühten und geldgierigen Instinkts, den du eindrucksvoll unter Beweis gestellt hast.«
    »Nun, ich sehe das mittlerweile anders«, murrte Claude. »Dieses Spiel – es ist nicht nett.«
    Mr Parker Pyne sprach im Tonfall eines Schulmeisters, der seinem Lieblingsschüler den Kopf zurechtrücken musste. »Tatsächlich hast du, mein lieber Claude, eine verdienstvolle Aufgabe erfüllt. Du hast einer unglücklichen Frau das gegeben, was jede Frau braucht – eine kleine Romanze. Leidenschaft ruiniert den Ruf einer Frau, und sie bringt ihr auch nichts, aber eine Romanze kann sie noch jahrelang durch die rosarote Brille betrachten. Ich kenne das menschliche Wesen, mein Junge, und ich sage dir, dass eine Frau jahrelang von einem solchen Vorfall zehren kann.« Er hustete. »Wir sind unserer Verpflichtung Mrs Packington gegenüber äußerst zufriedenstellend nachgekommen.«
    »Na ja«, murrte Claude, »ich mag es aber trotzdem nicht.« Er verließ den Raum.
    Mr Parker Pyne nahm sich eine neue Akte zur Hand. Er notierte:
     
    »Interessant: Ansätze eines Gewissens bei abgebrühtem Salonl ö wen zu erkennen. Vermerk: Entwic k lung beobachten.«

Der Fall des unbefriedigten Soldaten
     
    M ajor Wilbraham zögerte vor der Tür von Mr Parker Pynes Büro. Nicht zum ersten Mal las er die Anzeige im Morgenblatt durch, die ihn überhaupt erst hierhergebracht hatte. Sie war sehr einfach gehalten:
     

     
    Der Major nahm einen tiefen Atemzug und wagte sich durch die Schwingtür, die ins Vorzimmer führte. Eine unscheinbare, junge Frau blickte von ihrer Schreibmaschine auf und schaute ihn fragend an.
    »Mr Parker Pyne?«, fragte Major Wilbraham und errötete.
    »Hier entlang, bitte.«
    Er folgte ihr in das eigentliche Büro, in dem der freundliche Mr Parker Pyne saß.
    »Guten Morgen«, sagte Mr Pyne. »Setzen Sie sich doch bitte, und sagen Sie mir, wie ich Ihnen behilflich sein kann.«
    »Mein Name ist Wilbraham – «, fing er an.
    »Major? Oberst?«, fragte Mr Pyne.
    »Major.«
    »Ah! Und erst vor Kurzem aus der Ferne zurückgekehrt? Indien? Ostafrika?«
    »Ostafrika.«
    »Allem Anschein nach eine schöne Gegend. Nun, Sie sind jetzt wieder in der Heimat – und das mögen Sie nicht. Ist das Ihr Problem?«
    »Sie haben völlig recht. Aber woher wissen Sie – «
    Mr Parker Pyne wedelte mit einer beeindruckenden Hand. »Es ist meine Aufgabe, so etwas zu wissen. Ich habe fünfunddreißig Jahre lang bei einer staatlichen Behörde Statistiken erstellt. Jetzt bin ich in Rente, und mir kam der Gedanke, dass ich meine Kenntnisse auf neuartige Weise einsetzen könnte. Es ist alles sehr einfach. Die Gründe für fehlendes Glück lassen sich in fünf Kategorien einordnen – nicht mehr, das versichere ich Ihnen. Sobald der Grund für das jeweilige Leiden erkannt ist, liegt eine Heilung sehr wohl im Bereich des Möglichen.«
    »Ich übernehme in diesem Fall die Aufgabe des Arztes. Zuerst diagnostiziert der Arzt die Erkrankung seines Patienten, und dann schlägt er eine Behandlung vor. Es gibt Fälle, bei denen eine Behandlung nicht möglich ist. Wenn dem so ist, dann gestehe ich offen ein, dass ich nichts tun kann. Aber wenn ich den Fall annehme, dann ist die Heilung praktisch garantiert.«
    »Ich kann Ihnen versichern, Major Wilbraham, dass sechsundneunzig Prozent der Männer, die unser Empire groß gemacht haben – dazu gehören Sie –, unglücklich sind. Sie tauschen ein aktives, ereignisreiches Leben voller Verantwortung, voller möglicher Gefahren gegen was ein?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher